Wien - In China werden zur Zeit vermehrt Journalisten ohne konkreten Grund in Haft gehalten, berichtet die Pressefreiheitorganisation Reporter ohne Grenzen. "Seit dem 21. Juni befindet sich etwa der investigative Journalist Yin Yuscheng in der Haftanstalt in Zengzou (Provinz Henan), weil er an einer Ehrenkundgebung für den früheren Premierminister Zhao Ziyang in der Stadt Dalian teilgenommen hatte." Ziyang habe sich 1989 gegen die Ausrufung des Ausnahmezustandes und die Ausübung von Gewalt ausgesprochen, während die Regierung die Demonstrationen für Demokratie auf dem Tian'anmen Platz blutig beendete. Er sei daraufhin seiner Ämter enthoben und für den Rest seines Lebens unter Hausarrest gestellt worden, berichtet Reporter ohne Grenzen.

Seit Mai inhaftiert

Auch der freie Journalist Jiang Lijun ist seit Mai in Haft in der Stadt Shenyang (nordöstliche Provinz Liaoning), weil er mit Online-Postings die Kommunistische Partei angeblich diffamiert und Unruhe gestiftet hatte. Obwohl er erst am 25 Juni offiziell verhaftet und angeklagt wurde, musste Jiang bereits seit Mai in der Haftanstalt einsitzen. Damals holte ihn die Polizei von zu Hause ab, ohne dass es möglich gewesen wäre, seine Familie oder Bekannte über seinen Verbleib zu informieren. Bereits 2002 bis 2006 war Jiang aus ähnlichen Gründen inhaftiert.

Verhaftungen "völlig inakzeptabel"

Reporter ohne Grenzen (ROG) ist empört über die zunehmenden Repressalien gegenüber kritischen Journalisten in China. “Diese Verhaftungen sind völlig inakzeptabel“, sagt Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich. „Ob es hierbei um Vergeltungsmaßnahmen gegen Journalisten geht, welche die Regierung durch online-Postings in Verlegenheit bringen oder um Präventivmaßnahmen gegen die üblichen Verdächtigen: das Verhalten der Regierung gegenüber Journalisten ist unerträglich“, sagt Möhring.

Die beiden jüngsten Verhaftungsfälle machen nach Ansicht von Reporter ohne Grenzen die gesamte Bandbreite deutlich, welche die Regierung anwendet, um Journalisten zum Schweigen zu bringen: Verhaftungen ohne Vorwarnung, Isolation von der Familie, schwammig formulierte Anklagen und das Hacken von online-Accounts, wie es auch im Fall von Yin Yuscheng wahrscheinlich der Fall gewesen ist. Dessen Familie hatte seit seiner Verhaftung vergeblich versucht, Informationen über seinen Verbleib von der Polizei zu bekommen.

Versucht zu vertuschen

Yin Yuscheng wurde in China vor allem bekannt für seine Texte über Korruption beim Wiederaufbau in der Provinz Sichuan nach einem Erdbeben 2008. Er unterstützte auch seinen 2013 verhafteten Kollegen Chen Baocheng und brachte den den Fall über die Verhaftung des Studenten Li Quiming mit an die Öffentlichkeit. Dieser war im Oktober 2010 mit seinem Auto auf den Campus der Hubei Universität (Provinz Hubei, nordchinesische Stadt Baoding) viel zu schnell gefahren und hatte mehrere Studenten verletzt, einen davon tödlich. Bei seiner Verhörung durch Sicherheitspersonal drohte er mit den Worten, man könne ihn ruhig anklagen, er sei der Sohn von Li Gang (dem stellvertretenden Polizeichef). Dank Journalisten wie Yin Yuscheng gelang es der Regierung nicht, den Fall zu vertuschen - ihn selbst jedoch kostetet die Berichterstattung seinen Job bei der Zeitung Chengdu Schangbao.

China ist auf Platz 175 von 180 Ländern auf dem aktuellen Index von Reporter ohne Grenzen. (red, derStandard.at, 2.7.2014)