
Peter Judmaier vom Projekt GenSiSys.
St. Pölten - Ein Fluggast macht sich in der Regel wenig Gedanken darüber, ob in der Zentrale ein Fluglotse oder eine -lotsin sitzt. Dabei ist das gar nicht so unwichtig. Es gibt genügend Studien, die besagen: Frauen und Männer haben im Arbeitsumfeld unterschiedliche Bedürfnisse; und es wird darauf nicht immer optimal eingegangen. Was sich letztlich auch auf die Leistung auswirken könnte.
Methoden, um Anforderungen und Bedürfnisse zu untersuchen, möchte das Projekt GenSiSys an der FH St. Pölten finden - konkret untersucht es die gendergerechte Gestaltung von Arbeitsplätzen im Bereich sicherheitskritischer Systeme, also etwa bei Leitzentralen im Verkehr, auf Straße und Schiene oder in Notrufzentralen. Projektmitarbeiter Peter Judmaier, einer der beteiligten Forscherinnen und Mitarbeiter, erklärt, warum gerade der sicherheitsrelevante Bereich sich für Gender-Forschung anbietet: "Entweder, es gibt hier einen sehr hohen Männer- oder einen sehr hohen Frauenanteil. Wobei eigentlich meist die Frauen in der Minderheit sind." Hinzu komme der Männerüberschuss im Bereich der Entwicklung. Das mache dieses Feld zu einem besonders ergiebigen Forschungsgebiet: "Die Männerfärbung, wenn Männer für Männer entwickeln."
Dabei geben Studien konkrete Anhaltspunkte, dass Frauen oft ganz andere Bedürfnisse haben. So belegen Studien, erzählt Judmaier, Unterschiede im Sitzverhalten. Speziell im Bereich der Ergonomie hätte sich hier viel getan in letzter Zeit: So habe etwa das englische Militär mittlerweile auch eine Norm-Frau - nicht nur einen Norm-Mann. Auch auf visueller Ebene funktionierten Frauen anders: "Sie tun sich laut Studien mit größeren Bildschirmen, auf denen man mehr sieht, leichter", so Judmaier. Kognitiv seien die Unterschiede vermutlich weniger groß. Grundsätzlich untersuche man auch, wie sich andere Parameter auswirkten - etwa Körpergröße oder Ausbildung.
Das Projekt will nun in konkreten Umgebungen testen, welche Bedürfnisse die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben. Entwickelt werden soll dann ein Methodenset, mit dem Arbeitsplätze evaluiert werden können.
Noch wird mit den konkreten Leitstellen, darunter etwa Notrufzentralen, verhandelt, wie lange dort geforscht werden kann und welche Methoden anwendbar sind. Judmaier denkt an "Interviews, standardisierte Tests, begleitende Beobachtungen, elektronische Sitzkissen, die die Druckbelastung zeigen, oder Eye-Tracking, um die Blickrichtung der Menschen nachverfolgen zu können." Was davon in den oft datensensiblen Bereichen möglich sein wird, ist mit eine Frage, die das Projekt zu klären hat.
Hat man dann einmal heraus-gefunden, welche Methoden anwendbar sind und funktionieren, so Judmaier, kann man diese in Zukunft breit anwenden - durchaus auch in anderen Bereichen. Und irgendwann ist es dann vielleicht einmal wirklich unerheblich, ob in der Zentrale ein Mann oder eine Frau sitzt. (Andrea Heinz, DER STANDARD, 2.7.2014)