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Foto: REUTERS/Jean-Marc Loos

Die eigentliche Aufgabe Europas sei nicht, bürokratische Programme umzusetzen oder sich in wirtschaftlichen Details zu verzetteln. Die große Herausforderung sei es, "die Seele Europas, unsere tiefe Identität wiederzufinden". Dieses Motto stellte Premierminister Matteo Renzi am Mittwoch zum Auftakt des italienischen EU-Vorsitzes ins Zentrum seiner Rede vor dem Plenum des Europäischen Parlaments in Straßburg.

Der größte Wert der Union bestehe nicht in ihrem wirtschaftlichen Wert, man müsse ein politisches Europa vertreten, wie er es tue: "Sonst verlieren wir alle." Es sollte dies eine Art "Ruckrede", ein aufrüttelnder Appell werden - sowohl an alle EU-Institutionen, aber auch an die Nationalstaaten. Diese dürften sich nicht weiter auf die EU ausreden, sondern müssten ihre eigene Verantwortung für Reformen wahrnehmen.

Mut zur Wende, Hinwendung zur Zukunft

Das habe er in Italien zur Vorgabe gemacht, erklärte Renzi. Publikumswirksam hatte er, der nach seinen großen Wahlerfolgen ein Hoffnungsträger vor allem der europäischen Sozialdemokraten ist, da bereits sein Manuskript beiseitegelegt. Abseits von papierenen Arbeitsprogrammen suchte er in freier Rede vor allem die großen Linien für Europas Kurs zu beschrieben: Mut zur Wende, Hinwendung zur Zukunft, um "die Lücke zur globalen Entwicklung aufzuholen" zum Beispiel. Stabilität und Schaffung von Wachstum dürfen nicht als Widerspruch gesehen werden, so wie auch Staaten nicht gegeneinander arbeiten dürften: "Wir sind eine Gemeinschaft, wir sind ein Volk!", rief der italienische Premier ins Plenum.

Auf jeden Fall wolle er versuchen, Großbritannien an Bord der Union zu halten. Zum "Aufbruch" gehöre aber vor allem eine gemeinsame Außenpolitik, die die bisherige an Stärke in den Schatten stellt: Die Union dürfe nicht tatenlos zusehen, wenn in Afrika Mädchen massenhaft entführt werden, oder andere in afghanischen Gefängnissen sitzen, weil sie Christen sind. Syrien, die Ukraine, der Irak: Rund um die Union entstünden Herausforderungen, denen man "nicht nur mit leeren Slogans" begegnen könne.

Südtirol in der ÖVP

In der Debatte wurde Renzi von Konservativen und Rechten kritisiert, weil Italien mit seiner hohen Verschuldung kaum ein Beispiel für andere sein könne.

Mit dem Start des italienischen EU-Vorsitzes wurden die Konstituierung des EU-Parlaments abgeschlossen, alle Fachausschüsse besetzt und zwischen den Fraktionen gemäß ihrer Stärke aufgeteilt. Aus österreichischer Sicht bemerkenswert: Die Grüne Ulrike Lunacek ist - wie berichtet - Vizepräsidentin. Ihr "Vorgänger" in diesem Amt, Othmar Karas (VP), wurde zum Vorsitzenden des EU-Russland-Ausschusses bestellt. Und: Die ÖVP-Delegation hat den italienischen Abgeordneten Herbert Dorfmann aus Südtirol als Mitglied kooptiert. Er wollte nicht mit Mussolini-Enkelin Alessandra in einer Gruppe sein, die nun der Forza Italia angehört. (Thomas Mayer aus Straßburg, DER STANDARD, 3.7.2014)