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Die ungarische Bahn hat der ÖBB nicht gutgetan.

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Wien - Fast sechs Jahre nach dem Kauf der ungarischen Güterbahn Mávcargo durch die ÖBB-Gütersparte Rail Cargo Austria (RCA) landet die Causa nun doch vor dem Strafgericht. Nach jahrelangen Ermittlungen - befasst waren damit mindestens vier Staatsanwälte - erhebt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in Wien Anklage wegen des Vorwurfs der Untreue. Der entsprechende Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft wurde vom Justizministerium Ende Juni abgesegnet.

Angeklagt werden sollen nach Informationen des Standard der frühere RCA-Chef und spätere Ex-ÖBB-Holding-Vorstandsdirektor Gustav Poschalko, der ehemalige RCA-Finanzmanager und Prokurist Gerhard L. - und der amtierende Aufsichtsratsvorsitzende der ÖBB-Holding, Horst Pöchhacker.

Der Vorwurf: Die Angeklagten sollen beim Kauf der ungarischen Güterbahn 6,6 Millionen Euro veruntreut haben - indem sie über überhöhte Honorare Schmiergeld an den Berater András Gulya und der bis dahin unbekannten ungarischen Beratungs- und Lobbyingagentur Geuronet gezahlt haben. Die Betroffenen haben die Vorwürfe stets bestritten, für alle gilt die Unschuldsvermutung.

Behörde schweigt

Die Sprecherin der WKStA, Carmen Prior, bestätigt das nicht. Der Akt sei wieder in der WKStA eingelangt, man könne "derzeit keine weiteren Angaben machen". Auch der Anwalt Pöchhackers, Martin Nemec, weiß nichts von einer Anklage, rechnet aber damit. Er habe die Verständigung über die Einstellung eines Teils der Ermittlungen bekommen, beim Rest erwarte er eine Anklage. Pöchhacker bestreite die Vorwürfe, vor allem jenen, wonach er am Gesamtaufsichtsrat vorbei gehandelt habe.

Nicht abgeschlossen sind die Ermittlungen gegen Gulya; an seinem Verfahren arbeitet die WKStA nach wie vor. Gulya verfügte damals in Budapest über ein engmaschiges Netz zu allen politischen Couleurs, als sein "Erfolgshonorar" aufflog, begannen die Behörden in Ungarn Ermittlungen, die aber später im Sande verlaufen sollten.

Der Kauf der Mávcargo wurde am 2. Jänner 2008 mit der Zahlung des Kaufpreises von 102 Milliarden Forint (damals umgerechnet 407 Millionen Euro) perfekt; kaum einen Monat später flog die Zahlungsvereinbarung mit Geuronet auf. Überwiesen wurde das "Erfolgshonorar" am 2. März 2009. Der Vertrag für die Dienste der Geuronet - Strategieberatung und Pressebetreuung - war im Juni 2007 unterschrieben worden, sechs Monate vor Vertragsabschluss. Unterschrieben wurde der Kontrakt von Poschalko und dem Prokuristen L.; Aufsichtsratschef Pöchhacker soll eingeweiht gewesen sein, ja der RCA die Agentur geradezu anempfohlen haben.

Heikle Ungarn-Themen

Letzteres bestritt Pöchhacker, Auswahl und Shortlist mit infrage kommenden Agenturen seien ausschließlich von dem aus Poschalko, Ferdinand Schmidt und Erich Söllinger bestehenden RCA-Vorstand gekommen. Die Wahrheit dürfte irgendwo dazwischen liegen: Im Zuge des Auswahlverfahrens rissen sich Berater geradezu um das Mávcargo-Mandat, aus sechs Bewerbern (von Hochegger bis Mensdorff-Pouilly) bekam die mit ungarischen Liberalen ebenso wie der CDU in Deutschland vernetzten Gulyas den Zuschlag. Sie sollte die durch Raab-Verschmutzung und OMV-Mol-Deal vergiftete Stimmung in Ungarn zugunsten der ÖBB-Gütersparte drehen.

Was auch gelang. RCA bekam den Zuschlag und Geuronet 6,6 Millionen Euro (Erfolgs-)Honorar. Selbiges wurde im ersten Halbjahr bis zur Kaufvertragsunterzeichnung in Form monatlicher Fixzahlungen in der Größenordnung von 10.000 Euro abgegolten. Der Rest basierte auf einer Formel, die fixiert worden war, als die Bahnführung unter ÖBB-Holding-Chef Martin Huber noch von maximal 275 Millionen Euro Kaufpreis ausgegangen war: Von 150.000 bis 275 Millionen Euro betrug die Provision degressiv 5,5 bis 2,0 Prozent, ab 275 Millionen Euro nur mehr 1,75 Prozent.

Warum Geuronet nach Closing des Deals im Herbst 2009 - Poschalko war im Februar 2008 in den ÖBB-Holdingvorstand aufgestiegen - von RCA sogar der höhere Forint-Kurs vom Dezember 2008 gezahlt wurde, wird das Gericht ergründen. RCA-Chef Friedrich Macher und RCA-Finanzvorstand Günther Riessland hatten dies im April 2011 im Rechnungshof-Unterausschuss im Parlament ("Kleiner U-Ausschuss") mit Vertragskonformität begründet. (Renate Graber, Luise Ungerboeck, DER STANDARD, 3.7.2014)