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Der bisherige Verteidigungsminister Mychailo Kowal mit Präsident Poroschenko

Foto: AP/Mykhailo Markiv

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Protest in Kiew: die Angehörigen eingezogener Soldaten fordern deren Rückkehr. Auf dem Schild steht "Gebt Ehemänner ihren Frauen zurück und Väter ihren Kindern"

Foto: REUTERS/Valentyn Ogirenko

Kiew - Die Ukraine will dem Kampf gegen die Separatisten im Osten des Landes mit einem Umbau der Militärführung neue Schlagkraft verleihen. "Unsere Armee braucht entschlossene Kräfte", sagte Präsident Petro Poroschenko am Donnerstag. Inmitten der Bemühungen um eine neue Waffenruhe stimmte das Kiewer Parlament für die Ernennung von Waleri Geletej zum neuen Verteidigungsminister.

Viktor Muschenko wurde Generalstabschef. Poroschenko hatte die neue Führung vorgeschlagen, weil das Militär nach drei Monaten des Kampfes gegen Aufständische keinen wichtigen Durchbruch erzielt hat.

"Kampf um die Unabhängigkeit"

Poroschenko wies Geletej an, die Streitkräfte zügig zu reformieren. Hauptaufgabe sei, die territoriale Unversehrtheit der Ukraine zu bewahren. "Es läuft heute ein Kampf um die Unabhängigkeit des Landes." Der 46 Jahre alte Generaloberst war bisher Poroschenkos Sicherheitschef.

Der Staatschef kündigte zudem einen Führungswechsel beim Rüstungskonzern Ukroboronprom an, damit die Streitkräfte im Osten der Ukraine nun rasch mit moderner Technik ausgerüstet würden.

Parallel dazu dauerte das Ringen um eine neue Feuerpause für die Ostukraine an. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama forderten die russische Führung am Donnerstagabend erneut auf, ihren Einfluss auf die Aufständischen geltend zu machen. Die Chance auf eine beidseitige Waffenruhe dürfe nicht wieder ungenutzt bleiben, unterstrichen beide Politiker nach Angaben des deutschen Regierungssprechers Steffen Seibert in einem Telefonat. Hierzu müsse vor allem Russland seinen Teil beitragen und auf die Separatisten einwirken, damit auch diese eine Waffenruhe beachteten. Außerdem dürften von russischem Gebiet keine weiteren Waffen oder Kämpfer in die Ukraine gelangen.

Putin "zutiefst beunruhigt"

Zuvor hatte Merkel mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sowie Frankreichs Präsident Francois Hollande telefoniert. Die drei Politiker betonten nach Angaben eines Berliner Regierungssprechers, eine schnelle Waffenruhe sei wichtig und nötig. Dem Kreml zufolge zeigte sich Putin "zutiefst beunruhigt" über die hohe Zahl von Ukrainern, die aus der Krisenregion nach Russland flüchteten.

Poroschenko sagte laut einer Mitteilung seines Pressedienstes in einem Gespräch mit US-Vizepräsident Joe Biden, die Rückkehr zur Feuerpause sei dann möglich, wenn beide Seiten - die Regierungstruppen und die prorussischen Separatisten - zu einer entsprechenden Einigung kämen. Bedingungen für die Waffenruhe seien Grenzkontrollen durch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sowie die Freilassung von Gefangenen. Poroschenko hatte zu Wochenbeginn eine zuvor mehrfach gebrochene Feuerpause nicht verlängert.

Russland ist zu gemeinsamen Grenzkontrollen mit ukrainischen Kräften auf seinem Gebiet und der OSZE-Überwachung bereit - aber erst, wenn eine Waffenruhe in Kraft ist. Bei einem Krisentreffen in Berlin hatten sich Moskau und Kiew am Mittwoch auf neue Gespräche der Kontaktgruppe verständigt. Spätestens am Samstag sollen Verhandlungen über eine dauerhafte beidseitige Feuerpause beginnen.

Im Osten der Ukraine nahmen die Spannungen im Grenzgebiet zu Russland zu. Bei Gefechten kamen offenbar erneut sowohl Soldaten als auch Separatisten ums Leben. Nach Angaben der ukrainischen Armee wurde ein Soldat von Rebellen erschossen, die sich mit einer weißen Flagge genähert und plötzlich das Feuer eröffnet hätten. Die weiße Flagge wird in Kriegen von Unterhändlern genutzt und ist ein internationales Zeichen für den Stopp von Kampfhandlungen. In der Industriestadt Donezk starben drei Verkehrspolizisten durch Schüsse von Uniformierten, ein weitere Polizist wurde verletzt. Bei einem Angriff mit Granatwerfern auf einen Grenzposten seien zudem neun Soldaten verletzt worden. Erneut sei auch eine russische Grenzstation getroffen worden, teilten die Behörden in Rostow der Agentur Interfax zufolge mit.

Präsident Poroschenko stellte im Parlament, der Obersten Rada, eine Verfassungsänderung vor, über die die Abgeordneten in der nächsten Woche abstimmen. Sie sieht unter anderem vor, dass in bestimmten Regionen bei Behördengängen auch Russisch gesprochen werden dürfe. "Dieser Kompromiss macht unser Land stärker. Einzige Staatssprache bleibt aber Ukrainisch", betonte der prowestliche Staatschef. In der Kiewer Regierungskoalition kam es aber zu Spannungen, nachdem die Parlamentsdebatte über den Ausbau föderaler Strukturen vertagt wurde. Abgeordnete der Vaterlandspartei der früheren Ministerpräsidentin Julia Timoschenko lehnen die geplante Verfassungsreform ab und erwirkten die Verzögerung.

Eine ausgeweitete Selbstbestimmung der Regionen ist ein zentraler Pfeiler des Friedensplans von Poroschenko. Dazu gehört auch das Recht auf freie Wahl der Sprache. Im Ostteil der Ukraine, wo viele ethnische Russen leben, hatten zu Beginn des Jahres Forderungen nach einem Verbot der russischen Sprache Empörung ausgelöst. Russland, das das Recht in Anspruch nimmt, Russen auch jenseits der Landesgrenzen zu schützen, pocht auf eine Stärkung der Regionen in dem Nachbarstaat.  (APA, Reuters, 3.7.2014)