Wien - Die Budgetgespräche der Koalition haben einen Anpassungsbedarf von mehreren hundert Millionen Euro ergeben. Das gab Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP) am Freitag bekannt. Handlungsbedarf sieht er unter anderem bei den Frühpensionen. Die von Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) ausgerufene Trendumkehr erkennt er nicht. Mehr Geld für Strafvollzug und Breitband gibt es frühestens 2015.
Steuerreform
"Es gibt einen Anpassungsbedarf. Wir haben Abweichungen in hunderten Millionen Euro Höhe", erklärte Spindelegger am Freitag nach seinen Gesprächen mit den Ministern. Eine konkrete Zahl wollte er nicht nennen. Im Ö1-"Mittagsjournal" erklärte er, er könne es deshalb "nicht so genau" sagen, weil "wir die Minister mit Hausaufgaben nach Hause geschickt haben". Kein Minister habe sich bezüglich Budgetdisziplin als "Musterschüler" erwiesen, so Spindelegger. Er poche jedenfalls auf Disziplin: "Jeder Minister muss seine Vorgaben einhalten."
Spielraum für eine Steuerreform sieht der Finanzminister derzeit nicht, im Gegenteil: "Wir haben nicht über Überschüsse geredet, sondern über Überausgaben. Zuerst müssen die Überausgaben zurück auf den Budgetpfad." Die weitere Vorgehensweise will Spindelegger nun "mit dem Bundeskanzler im Detail besprechen". Ob im Rahmen des geplanten "restriktiven Budgetvollzugs" weitere Kürzungen ("Bindungen") erfolgen müssen, um die EU-Vorgaben einzuhalten, will Spindelegger im Herbst klären.
Trendumkehr
"Die größte Herausforderung haben wir sicher bei den Frühpensionen", sagte Spindelegger. Die von Hundstorfer ausgerufene Trendumkehr kann er nicht erkennen. "Bei den Zahlen ist das absolut nicht sichtbar." Daher müssten auch dort weitere Maßnahmen besprochen werden - welche, das sei primär Aufgabe des Sozialministers.
Die von Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) beantragten Mittel für die Reform des Strafvollzuges wird es laut Spindelegger geben, die Ausgaben werden aber noch nicht heuer schlagend. Auch die von Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ), Ländern und Wirtschaft geforderten Mittel für den Breitbandausbau werden demnach noch nicht heuer fließen. Vereinbart habe man, dass zuerst ein "Masterplan" für konkrete Ausbaumaßnahmen erstellt werden soll. Konkrete Zusagen für entsprechende Mittel gebe es noch nicht, so der Finanzminister.
Vorgaben
Die Regierung muss heuer zwei Vorgaben einhalten: Erstens soll das Maastricht-Defizit von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherung unter drei Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) bleiben - trotz der rund vier Milliarden Euro schweren Belastung durch die Hypo Alpe Adria. Eingeplant sind 2,7 Prozent. Zweitens wurde der EU-Kommission ein (um Einmaleffekte und Konjunkturschwankungen bereinigtes) strukturelles Defizit von maximal 0,9 Prozent des BIP zugesagt.
Budget
Experten von WIFO und Fiskalrat zeigten sich zu Wochenbeginn noch einig: Von einem Budgetloch könne keine Rede sein, auch ein neues Sparpaket werde nicht erwartet. Das WIFO rechnete trotz eingetrübter Konjunktur nicht mit einer dramatischen Verschlechterung der Budgetlage. Spindelegger sagte dazu im Ö1-"Mittagsjournal" am Freitag: "Wirtschaftsforscher sollen sich auf die Wirtschaftsforschung konzentrieren." Ihnen stehe zudem das entsprechende Zahlenmaterial nicht zur Verfügung.
Steßl: "Wir liegen auf Kurs"
"Die Midterm-Review-Gespräche" bezeichnete Finanzstaatssekretärin Sonja Steßl (SPÖ) in einer Stellungnahme am Freitag als "sehr konstruktiv". Bei einem Budget im Ausmaß von 76 Milliarden Euro seien Abweichungen zu einem Stichtag mitten im Jahr "keine Dramatik". Eine "neuerliche Budgetlochdebatte wäre sachlich nicht begründbar und das falsche Signal für das Land", so Steßl.
"Wir liegen auf Kurs, was die vereinbarten Einsparungen bei den Ermessensausgaben betrifft. Auf der Einnahmenseite läuft es überhaupt besser", erklärte die Staatssekretärin. Zutreffend sei, dass die konjunkturabhängigen, also variablen Kosten für Arbeitslosigkeit und Pensionen steigen. Das habe damit zu tun, dass der Wirtschaftsaufschwung laut jüngsten Prognosen noch auf sich warten lasse. Steßl forderte einmal mehr eine rasche Steuerreform.
Hundstorfer sieht keinen Änderungsbedarf
Sozialminister Hundstorfer sieht vorerst keinen Änderungsbedarf im Pensionssystem über die vereinbarten Maßnahmen hinaus. Die Regierung habe zuletzt bei allen Frühpensionsreformen "deutliche Verschärfungen" vorgenommen, betonte Hundstorfer in einer Aussendung am Freitag. Ausständig sei nun noch das Bonus/Malus-System für die Einstellung älterer Mitarbeiter.
Hundstorfer bekennt sich daher zur Anhebung des tatsächlichen Pensionsantrittsalters. Daher mache es Sinn, nach zwei Jahren zu prüfen, ob die getroffenen Maßnahmen wirken, und wenn nötig weitere Maßnahmen zu setzen. "Es macht aber keinen Sinn, alle halben Jahre oder alle Monate nach weiteren Maßnahmen zu rufen", so Hundstorfer, nachdem Spindelegger zuvor Handlungsbedarf angesichts steigender Pensionskosten gesehen hatte.
Seine zuletzt vorgelegten positiven Pensionszahlen verteidigte der Sozialminister: "Es ist ein echter Anstieg und keine Schönrederei." Bestätigt sieht diesen Vorwurf dagegen die ÖVP - und zwar angesichts der "Geheimniskrämerei" des Sozialministeriums über das Zustandekommen der Statistik. Dass das Ministerium seine genauen Zahlen unter Verschluss halte, habe die "Trickserei des Ministers enttarnt", sagte ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel.
Keine Kostensteigerung für Arbeitsmarkt
Das Sozialministerium sieht bei den arbeitsmarktbezogenen Ausgaben bis Mai keine besondere Kostensteigerung. Das starke Ausgabenplus der ersten fünf Monate betreffe nicht das Arbeitslosengeld, sondern die Fixkosten für die Arbeitsmarktförderungen. Dies werde aber durch entsprechend geringere Steigerungen im zweiten Halbjahr ausgeglichen, betonte der zuständige Sektionschef Roland Sauer am Freitag.
Die Arbeitsmarktförderungen sind als Fixbetrag im Budget eingestellt, der nicht überschritten werden darf, betont Sauer. Von der Höhe der Arbeitslosigkeit abhängig sind dagegen die (variablen) Ausgaben für das Arbeitslosengeld. Sie sind in den ersten fünf Monaten jedoch unter den Erwartungen gewachsen. Dies dürfte laut Sauer u.a. daran liegen, dass immer mehr als arbeitslos gemeldete Personen kein Arbeitslosengeld beziehen sondern die niedrigere Notstandshilfe oder die Mindestsicherung.
Darabos ortet "pure Panikmache"
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos hält dagegen die Aussagen Spindeleggers für "pure Panikmache" und ein "durchsichtiges Ablenkungsmanöver". Während Wirtschaftsforscher und Fachminister geringfügige Abweichungen vom Budgetpfad korrekt als konjunkturbedingte Schwankungen identifizieren würden, versuche Spindelegger "eine künstliche Drohkulisse aufzubauen", um von seinen Versäumnissen bei der Steuerreform abzulenken. Einmal mehr forderte er eine Steuerreform, finanziert durch die "Millionärssteuer".
Gegenangriff von Blümel
ÖVP-Generalsekretär Blümel ließ Darabos in einer Aussendung wissen: "SPÖ und Finanzen ist offensichtlich ein Spagat, der sich nicht ausgeht. Wer noch immer nicht erkennt, dass mit dem ewigen Schuldenmachen Schluss sein muss, lebt noch immer in den 70ern." Die "Sozialisten" würden "nicht einmal die Grundrechnungsarten der Budget- und Wirtschaftspolitik" beherrschen. (APA, red, 4.7.2014)