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Zahlreiche Container mit Risikomaterial wurden im kalabrischen Hafen Gioia Tauro in den US-Frachter MV Cape Ray verladen. Auf diesem befindet sich Equipment zur Zerstörung der syrischen Chemiewaffen.

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Meeresbiologin Anastasia Miliou spricht von unabsehbaren Folgen.

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Die Mafia hat hier ihren Giftmüll versenkt, jetzt schippert die Cape Ray mit einer noch viel fürchterlicheren Fracht durch die Gewässer: Das Ionische Becken zwischen Sizilien und Kreta zählt zu den tiefsten Stellen des Mittelmeers. Über 4000 Meter sind es bis zum Meeresgrund. Für den Fall offenbar, dass etwas schiefgeht. Denn die Cape Ray hat 700 Tonnen Chemiewaffen an Bord - das wohl gesamte syrische Arsenal.

In internationalen Gewässern zwischen Süditalien und Griechenland beginnt nun unter Aufsicht der US-Marine die Vernichtung dieser Kampfstoffe. Mittwochabend war die Cape Ray vom italienischen Hafen Gioia Tauro in Kalabrien ausgelaufen - Kurs: Ionisches Becken.

Aus 700 Tonnen Senfgas und Komponenten des Nervengifts Sarin werden durch Hydrolyse - ein Aufspaltverfahren mit Wasser - mehr als 9000 Tonnen hochgiftige Brühe. Das ist zumindest der Plan. Ein Himmelfahrtskommando, nach Ansicht der Meeresbiologin Anastasia Miliou: "Nie zuvor ist so etwas in diesem Umfang versucht worden; und unter so instabilen Verhältnissen, wie sie auf hoher See herrschen."

"Hochriskantes Unternehmen"

Die griechische Wissenschafterin arbeitet für Archipelagos, eine NGO mit Sitz in Athen, die sich für den Schutz der Artenvielfalt in der Ägäis und im östlichen Mittelmeer einsetzt. Schon seit Herbst 2013, als der Abzug der Chemiewaffen aus Syrien anlief, führt Archipelagos eine Kampagne gegen die Idee, diese auf einem Schiff zu beseitigen. "Es ist ein hochriskantes Unternehmen, das uns als Niedrigrisiko-Verfahren verkauft wird", sagt Miliou zum Standard. Eine Entsorgung an Land sei vergleichsweise sicherer.

Die USA hätten großen Druck auf Griechenland und wohl auch Italien ausgeübt, um die C-Waffen-Vernichtung auf dem Navy-Schiff durchzusetzen. "Wir haben eine schwache Regierung und eine schwache Gesellschaft", stellt Miliou fest; jeder sei wegen der Wirtschaftskrise mit dem Überleben im Alltag beschäftigt. Von Protesten auf Kreta und in Gioia Tauro abgesehen, wurde kaum Widerstand laut. Der Regierung in Athen dürfte es zudem daran gelegen sein, nicht viel Aufheben um die C-Waffen zu machen, um dem Tourismus nicht zu schaden.

Eine Videokonferenz zwischen Experten der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) und NGOs hat es gegeben; die OPCW hatte den Abzug der C-Waffen aus Syrien organisiert. Im Gespräch kam heraus, dass die Alleinverantwortung für die Vernichtung bei der US-Navy liegt. Außer den Vertretern der OPCW sind keine Beobachter auf der Cape Ray zugelassen.  (Markus Bernath aus Athen, DER STANDARD, 5.7.2014)