Nestor Schufritsch: „Kompromiss möglich.“

Foto: Partei der Regionen

STANDARD: Im Westen hofft man stark, dass die Krise in der Ostukraine im Dialog gelöst werden kann, in der Ukraine setzen einige auf Krieg. Wann werden die Gespräche wiederaufgenommen?

Schufritsch: Die größte Enttäuschung war der Stopp der Waffenruhe. Präsident Poroschenko hat in seinem Friedensplan klar aufgezeigt, wie der Weg aus der Krise aussehen soll. Ich hoffe, dass wir so schnell wie möglich Informationen zur Wiederaufnahme der Gespräche bekommen. Ich bin meinerseits bereit, zu jeder Zeit an jedem Ort weiterzuverhandeln.

STANDARD: Vor allem die Teilnahme von Persönlichkeiten wie dem prorussischen Politiker und Oligarchen Wiktor Medwedtschuk stößt in der Ukraine auf große Kritik. Was ist Medwedtschuks Rolle?

Schufritsch: Die allgemeine Hysterie um die Person Medwedtschuks ist nicht hinnehmbar. Er und ich sind eher Vermittler. Wir führen Gespräche sowohl mit den Vertretern aus dem Donbas als auch mit denen des Präsidenten. Medwedtschuk tut alles, damit die Gespräche stattfinden und wir konstruktiv zusammenarbeiten. Die Leitung des Dialogs hat Ex-Präsident Leonid Kutschma. Die Kritik an Medwedtschuk kommt vor allem von der Seite, die die Verhandlungen scheitern sehen will. Ich kenne die Namen, werde sie aber nicht öffentlich nennen.

STANDARD: Präsident Poroschenko sagte in seiner Antrittsrede, er werde nicht mit Terroristen verhandeln. Nun sitzen auch Leute wie Alexander Borodai mit am Tisch. Sind die Separatisten bereit, Poroschenkos Friedensplan zu unterstützen?

Schufritsch: Frieden in der Ukraine ist das Wichtigste, das wir brauchen. Wenn wir nicht bereit zum Dialog sind, brauchen wir keine weiteren Gespräche zu führen. Ich kenne die Position Borodais. Ein Kompromiss ist möglich. Allerdings ist die Eigenständigkeit der Ukraine nicht verhandelbar, und es darf auch keine weiteren Verluste an Territorium geben.

STANDARD: Wie wahrscheinlich ist eine friedliche Lösung?

Schufritsch: Für uns kam die Entscheidung, die Anti-Terror-Aktion wiederaufzunehmen, völlig unerwartet. Doch das ist Poroschenkos Entscheidung, er ist dafür verantwortlich. Fakt ist allerdings auch, dass selbst nach Angaben des ukrainischen Sicherheitsrates zwischen 20.000 bis 25.000 Männer im Donbas unter Waffen stehen. Etwa 2,5 Millionen Menschen im Donbas haben beim sogenannten Referendum für die Abspaltung gestimmt. Etwa ein Drittel der Bevölkerung will nicht mehr Teil der Ukraine sein. Damit müssen wir uns alle auseinandersetzen, auch wenn das in Kiew nicht jedem schmeckt.

STANDARD: Ihre Partei, die Partei der Regionen, gilt als Verfechterin einer Föderalisierung. Poroschenko hat nun eine Verfassungsänderung im Parlament eingebracht, die eine Dezentralisierung vorsieht. Ist dies mehrheitsfähig?

Schufritsch: Die Menschen im Osten wollen mehr Mitspracherechte. Es ist ihnen egal, ob man das Projekt Dezentralisierung oder Föderalisierung nennt, Hauptsache, es kommt. Allerdings sind die Details wichtig, neben mehr Finanzautonomie und der Zusammensetzung der lokalen Verwaltungen muss auch die russische Sprache einen Sonderstatus bekommen.

Ich hoffe sehr, dass auch Poroschenko das wahrnimmt. Nach seiner Antrittsrede und seinen Verfassungsänderungen ist zu vermuten, dass er zu einem Kompromiss bereit ist. Hierzu gehört auch das Amnestiegesetz für Rebellen, die ihre Waffen niederlegen, das übrigens dem Amnestiegesetz für die Maidan-Aktivisten gleichkommt, dessen Autor ich war. Die Leute dürfen nach Wiederherstellung des Friedens keine Angst vor Verfolgung haben.

STANDARD: Oligarchen spielen in der Ukraine eine große Rolle. Vor allem an Ihrem Parteifreund Rinat Achmetow kam lange Zeit keiner vorbei. Während des Euromaidan verhielt er sich sehr zurückhaltend, nun gibt es Gerüchte, er habe die Separatisten unterstützt. Wer von den Superreichen außer Ihor Kolomojskyj unterstützt im Donbas welche Gruppen?

Schufritsch: Bekannt ist, dass Ihor Kolomojskyj fünf oder sechs Freiwilligenbataillone finanziert. Ob Achmetow Teile der Separatisten unterstützt, ist mir nicht bekannt. Ich weiß allerdings, dass Achmetow sich für die Einheit der Ukraine ausgesprochen hat. (Nina Jeglinski aus Kiew, DER STANDARD, 7.7.2014)