Während der Paarung frisst das Bohrfliegenweibchen am nahrhaften "Brautgeschenk".

Foto: Senckenberg-Institut

Frankfurt - Bambus ist eine der am schnellsten wachsenden Pflanzen der Welt. Besonders in Asien ist er - nicht zuletzt aufgrund dieser Eigenschaft - ein beliebter Rohstoff. Doch nicht nur Menschen nutzen die stabilen Halme des Riesengrases: Er bietet auch Lebensraum für eine vielfältige Insektenfauna.

Forscher des Senckenberg Forschungsinstituts in Frankfurt haben in einer Langzeitstudie die Ökologie in Bambus lebender Bohrfliegen untersucht. Sie entdeckten dabei erstaunliche Details zur Lebensweise der Tiere und konnten widerlegen, dass der Bambus durch die Bohrfliegen schwer geschädigt wird. Die Studie ist im Jahrbuch der "Entomological Society of America“ erschienen.

Artenreiche Bewohner

"Mit Regenwasser gefüllte Hohlräume in Bambusrohren bilden einen ganz eigenen Lebensraum", sagt der Senckenberg-Entomologe Damir Kovac. "Sie eignen sich besonders gut für allgemeine ökologische Fragestellungen, weil sie klein und von der Außenwelt gut abgegrenzt sind." Mehrere hundert unterschiedliche Tierarten hat Kovac in Südost-Asien bisher in diesen Pflanzengewässern entdeckt – einige davon waren bis dahin unbekannt.

Die Ergebnisse seiner Feld- und Laborarbeiten zu einer der artenreichsten bambusbewohnenden Insektengruppen, der Bambus-Bohrfliege, haben Kovac und Kollegen nun veröffentlicht. "Wir haben in einer aufwändigen Untersuchungsreihe die Lebensweise von über 40 Bohrfliegenarten aus der Familie der Tephritidae in den tropischen Regenwäldern Malaysias und Thailands untersucht", so der Forscher.

Schaden geringer als angenommen

Bohrfliegen sind weltweit als Schädlinge von Obst und Gemüse bekannt. Viele bambusbewohnende Bohrfliegen schädigen die Pflanze, in der sie leben, indem sich die Larven durch das Bambusgewebe fressen. Die Weibchen sind aber nicht in der Lage, die harten, schützenden Hüllblätter der Bambusschösslinge mit ihrem Eilegebohrer zu durchdringen. Sie schieben daher ihre Eier unter die Hüllblätter. Die frisch geschlüpften Larven müssen sich dann unter dem Hüllblatt bis zum Bambusgewebe hindurchzwängen, von dem sie sich ernähren.

Durch den Befall sterben die Spitzen der Bambusschösslinge ab und lösen sich schließlich von der Pflanze. Der untere Teil des Halmes entwickelt sich jedoch weiter. "Unsere Forschungen zeigen, dass die Bohrfliegenlarven keinen nennenswerten ökonomischen oder ökologischen Schaden in den Bambuswäldern anrichten", so Kovac.

Erstaunliche Verhaltensweisen

Zwei Gattungen der Bambus-Bohrfliegen haben sich darauf spezialisiert, Eiablagelöcher von großen Rüsselkäferweibchen für ihre eigenen Eier mit zu nutzen. Sie sitzen stundenlang auf dem Rücken der großen Käfer und warten dort, bis die Käferweibchen mit ihrem harten Rüssel ein Loch in den Bambushalm gebohrt haben. Dann springen die Fliegen herunter und legen ihre eigenen Eier zu denen des Käfers.

Ungewöhnlich für diese Insektengruppe ist auch, dass die Larven einiger Bohrfliegen-Arten in den Hohlräumen der Bambushalme leben und sich dabei im Wasser aufhalten. Sie ernähren sich nicht vom Bambusgewebe selbst, sondern kratzen Nährstoffe von der Bambuswand ab. Die erwachsenen Fliegen dieser Arten zeigen ebenfalls außergewöhnliche Verhaltensweisen: "Wir konnten bei diesen Fliegen ein komplexes Balzverhalten beobachten", so der Frankfurter Entomologe. "Die Männchen überreichen den Weibchen eine schaumartige Substanz als 'Brautgeschenk'. Während die Weibchen an der nahrhaften Masse fressen, nutzen die Männchen die Gelegenheit, um sich mit ihnen zu paaren."

In Zukunft wollen Kovac und Kollegen die Evolution der über 150 bambusbewohnenden Bohrfliegen-Arten untersuchen, die ihren Lebensraum vermutlich in mehreren Entwicklungslinien unabhängig voneinander besiedelt haben. (red, derStandard.at, 6.7.2014)