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Wenn man Laufzeiten streckt, verlieren Anleger Geld.

Foto: APA; Montage: Beigelbeck

Ob es an der Fußballweltmeisterschaft oder an sommerlichen Ermüdungserscheinungen liegt, ist schwer zu sagen. Jedenfalls fiel das mediale Echo auf ein kürzlich erschienenes Papier des Internationalen Währungsfonds verhalten aus. Das könnte mit der etwas technischen Überschrift zu tun haben: "Rahmenbedingungen für die Kreditvergabe des Fonds“.

Der Report beschäftigt sich damit, unter welchen Umständen Ländern künftig Geld geborgt werden kann und soll. Er bedeutet zumindest für Anleger nichts Gutes: Denn ein Herzstück der von IWF-Experten ausgearbeiteten Vorschläge ist die Verlängerung der Laufzeit von Staatsanleihen. Damit würden hochverschuldete Staaten entlastet; die Wahrscheinlichkeit, dass der Fonds sein Geld zurückbekommt, würde steigen.

Griechenland-Szenario

Die Ökonomen des Fonds wollen mit der neuen Vorgangsweise Griechenland-Szenarien verhindern. Ab 2010 wurden ja öffentliche Gelder der EU und des IWF nach Athen gepumpt, 2012 ließ sich ein Schuldenschnitt trotz der Hilfen nicht mehr vermeiden.

Gewiefte Anleger hatten bis zu diesem Zeitpunkt ihre Forderungen längst in trockene Tücher gebracht. Daher sollen künftig alle Gläubiger einen Beitrag leisten – noch bevor der Fonds einschreitet. Diese "Reprofilierung“ von Schulden, verbunden mit der Umsetzung glaubwürdiger Anpassungsschritte, schreibt der Fonds, könnte die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen und den Zugang zu den Kapitalmärkten sichern.

Freiwillige Einbuße

Der IWF hält fest, dass derartige Unterfangen in Absprache mit den Gläubigern und freiwillig erfolgen sollten. Öffentliche Kreditgeber würden ebenfalls ihre Forderungen strecken oder mit frischem Geld zur Seite springen.

Bei einer Fristverlängerung der Schuldtitel rechnet der Fonds damit, dass die Ratingagenturen einen "selektiven Zahlungsausfall“ ausrufen, allerdings zeigten Beispiele in der Vergangenheit, dass die Dauer des "Defaults“ begrenzt sei. Die Rückkehr an die Märkte könne weit rascher erfolgen als bei einem echten Haircut. Und sollte dann doch noch ein Schuldenschnitt erforderlich werden, seien die privaten Gläubiger noch mit im Boot. Auf Deutsch: Man hat mehr Masse, um Forderungen abzuschreiben.

"Normalerweise" kein Haircut

Bei dem Dokument handelt es sich nicht um irgendein Expertenpapier, sondern um einen konkreten Vorschlag an das IWF-Direktorium, das das Vorhaben auch prompt begrüßte. Vorerst will es der Fonds bei einer Verlängerung der Laufzeit von Anleihen belassen, eine Senkung der Zinsen oder eine Kürzung der Ansprüche soll es "normalerweise“ nicht geben.

Allerdings kann auch die Verschiebung der Rückzahlung zu beträchtlichen Realverlusten führen. In Griechenland wurden die nach dem Schuldenschnitt verbliebenen Ansprüche auf bis zu 30 Jahre gestreckt. Auch wenn der IWF nicht sagt, ab welcher Höhe der Verschuldung derartige Maßnahmen gesetzt werden sollen: Klar ist, dass Anlegern und Sparern ein rauer Wind ins Gesicht bläst.

Kreative Säckelwarte

Negative Realzinsen in so gut wie allen Industriestaaten knabbern die Ersparnisse seit Jahren an. Die nicht sinken wollenden Staatsschulden dürften weitere Schritte nach sich ziehen. Der Schuldenschnitt in Griechenland, das Heranziehen der Einlagen zur Sanierung der zypriotischen Banken und die geplante Gläubigerbeteiligung bei der Kärntner Hypo zeigen, dass die klammen Kassen die Kreativität der Säckelwarte beflügeln.

Doch das könnte erst der Anfang gewesen sein. Ebenfalls der Währungsfonds war es, der im Oktober des Vorjahres eine einmalige Zwangsabgabe auf die Vermögen in Höhe von zehn Prozent ins Spiel gebracht hatte.

Eine Frage der Glaubwürdigkeit

Auch wenn der IWF die Schattenseiten einer derartigen Vorgangsweise unterstrich, konnte er die folgende hitzige Diskussion nicht mehr im Zaum halten. Mit dem Vorschlag von Laufzeitstreckungen bei Staatsanleihen dürfte der IWF die Gläubiger angesichts bescheidener Wachstumsraten, die eine Entschuldung erschweren, auf Umschuldungen vorbereiten, meinen Analysten.

Ihnen ist nicht wohl bei der Sache:_Gerade in den Industriestaaten gebe es ausreichend Einsparpotenzial, dessen Ausschöpfen einen effektiven Abbau der Verbindlichkeiten ermöglichen könnte.

Marktteilnehmer befürchten, dass immer neue Pläne, Anleger zur Kasse zu bitten, selbige nachhaltig verunsichern. Doch zumindest im aktuellen Fall hat der Währungsfonds ein Gegenargument parat. Politische Unsicherheit oder unglaubwürdige Maßnahmen wie das erste Hilfspaket für Griechenland im Mai 2010 haben Nervosität und Ansteckungsgefahr am stärksten steigen lassen.

Wenn die Politik die Unsicherheit mit (durchaus harten) Schnitten beseitigt – wie eben mit dem Haircut in Griechenland, aber auch beim Ausfall Russlands 1998 –, beruhige sich die Lage trotz Belastung der Gläubiger. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, 7.7.2014)