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Oft ist ein turbulenter Flug der Auslöser für Flugangst.

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Hat Dankesschreiben aus der ganzen Welt erhalten: Irene Rausch.

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Für die einen ist Fliegen der Start in den Urlaub, für die anderen eine Tortur, die sich zu einer Panikattacke hochschaukeln kann. Irene Rausch leitet Seminare für Menschen mit Flugangst - an deren Ende Konfrontationstherapie in Form eines Abschlussfluges steht.

derStandard.at: Was sind die häufigsten Gründe für Flugangst?

Rausch: Oft ist es ein unangenehmes Erlebnis, etwa ein sehr turbulenter Flug. Das wird von vielen Passagieren als potenziell gefährlich interpretiert und kann dazu führen, dass das Fliegen überhaupt als gefährlich eingestuft wird. Es können aber auch andere Angststörungen im Hintergrund liegen, etwa Klaustrophobie oder Agoraphobie - also die Angst vor Situationen, in denen man das Gefühl hat, man könnte nicht schnell genug hinauskommen. Auch die Angst vor Kontrollverlust beobachte ich bei Betroffenen. Das ist ein sehr subjektives Angstgefühl, weil objektiv die Sicherheit in anderen Verkehrsmitteln wesentlich geringer ist.

derStandard.at: Wie äußert sich die Flugangst?

Rausch: Im Vorfeld liegen oft über Tage oder Wochen starke Gefühle von Unbehagen, Angst und Nervosität, manchmal kommt es zu Schlafstörungen. Die Betroffenen sind dadurch oft schon im Vorfeld sehr beeinträchtigt. Während des Fluges klagen Betroffene über Herzrasen oder das Gefühl, zu wenig Luft zu bekommen. Manchmal wird geweint, die Gedanken beginnen zu rasen, in Form von: Es wird etwas Schlimmes passieren, ich komme hier nicht mehr raus.

derStandard.at: Wer ist betroffen?

Rausch: Was man definitiv weiß: Rund ein Drittel der Flugpassagiere fühlen sich nicht wohl – wobei da die Palette breit gefächert ist. Das fängt bei leichtem Unbehagen an und geht bis hin zu Panikattacken. Das geht quer durch alle Bevölkerungsschichten, Berufsgruppen, Geschlechter. Es leiden etliche Prominente an Flugangst, bis hin zu Schauspielern und Prinzessinnen.

derStandard.at: Was passiert in den Flugangst-Seminaren?

Rausch: Es wird psychologisches Wissen vermittelt, aber es gibt auch praktische Tipps in Form von Atemübungen und Entspannungstechniken. Wir gehen in den Kabinensimulator eines Flugzeugs, wo ein kleiner Flugablauf mit Turbulenzen simuliert wird, weil diese erfahrungsgemäß bei den meisten Passagieren angstbesetzt sind. Dann gibt es viele Blicke hinter die Kulissen - auf manche Betroffenen wirkt technisches Wissen beruhigend. Wir gehen in die Werft, schauen uns die Flugzeuge hautnah an, man kann sie sogar angreifen.

derStandard.at: Am Ende des Seminars steht ein gemeinsamer Abschlussflug. Wie verläuft der?

Rausch: Am ersten Tag können sich die Teilnehmer nur schwer vorstellen, diesen Abschlussflug zu absolvieren. Nach dem dreitägigen Training  steigen dann zwischen 90 und 95 Prozent der Teilnehmer tatsächlich in das Flugzeug. Der erste Start ist immer der schwierigste, aber mit fortschreitendem Flugverlauf fällt die Angst wirklich ab. Ich hatte gerade letztes Wochenende ein Seminar, und es war berührend zu sehen, wie glücklich die Teilnehmer waren. Oft steigert sich das fast in eine euphorische Stimmung.

derStandard.at: Und nach dem Seminar?

Rausch: Internationale Untersuchungen haben ergeben, dass zwei Drittel der Teilnehmer danach gut zurechtkommen. Ich habe Dankesschreiben aus der ganzen Welt erhalten von Menschen, die auf Weltreise gegangen sind, nachdem sie ihre Flugangst überwunden hatten.

derStandard.at: Werden aus Flugängstlichen also manchmal Flugfans?

Rausch: Ein junger Mann, der bei mir im Seminar war, wollte dann sogar Pilot werden. Wenn man sich einmal mit der Materie beschäftigt, kann es durchaus sein, dass das zu einer Flugbegeisterung führt. Das soll aber nie das Ziel der Seminare und der Angstbehandlung sein. Das würde einen viel zu großen Erwartungsdruck erzeugen.

derStandard.at: Welche Tipps geben Sie Menschen, die beim Fliegen nervös werden?

Rausch: Zum einen ist es wichtig zu wissen, dass niemand mit Flugangst auf die Welt kommt. Es ist kein Schicksal, das man das ganze Leben in Kauf nehmen muss, sondern die Flugangst wird erlernt und kann dementsprechend wieder verlernt werden. Vor dem Abflug sollten Flugängstliche Stress vermeiden, also rechtzeitig zum Flughafen fahren und aktivierende Substanzen wie Alkohol oder übermäßiges Rauchen vermeiden. Ich rate Betroffenen auch dazu, auf eine ruhige Bauchatmung zu achten und sich am Flughafen ein ruhiges Plätzchen für Atemübungen zu suchen. Außerdem sollten sie versuchen, die Gedanken in den Griff zu bekommen, denn es erzeugen immer die Gedanken die Angst - nicht das Flugzeug selbst. Wer an Bord Angst bekommt, kann sich auch an die Flugbegleiter wenden, die dafür geschult sind. Es beruhigt oft schon, wenn man nicht still leiden muss. (Franziska Zoidl, derStandard.at, 9.7.2014)