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Joko Widodo, dem der Ruf des dynamischen Reformers vorauseilt, galt lang als Favorit für Indonesiens Präsidentschaft ...

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... aber sein Konkurrent, Ex-Suharto-General Prabowo Subianto, hat in Umfragen aufgeholt.

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Kein guter Tag, ein Schwein zu sein. Zwei Männer tragen das Tier einen schlammigen Abhang hinunter, vorbei an der Plattform mit dem Sarg von Ne' Kareta, vorbei an dessen trauernden Enkeln. Sofort wird es ausgenommen und zerteilt, so wie viele weitere Tiere. Denn Kareta war ein wichtiger Mann. Gestorben ist er schon vor zwei Jahren. Seither saß er - in seinen Lieblingsanzug gekleidet - im Wohnzimmer seiner Angehörigen. Die Tradition des Volkes der Toraja in Sulawesi schreibt vor, dass ein hoher Verstorbener mumifiziert wird, bis sich die Familie ein Begräbnis leisten kann.

Die Zeremonie zeigt eindrücklich die Vielfalt an Kulturen in Indonesien. 6000 der rund 18.000 Inseln sind besiedelt, 700 Ethnien leben im Archipel, mit unterschiedlichen Traditionen, Werten, Wünschen und Forderungen. Oft ist es nur die Sprache Bahasa Indonesia, die sie verbindet - und die Regierung in Jakarta.

Vielfalt - aber nur unter rot-weißer Flagge

Wer auch immer bei den Wahlen am Mittwoch Präsident von Indonesien wird - Joko Widodo oder Prabowo Subianto: Eine seiner wichtigsten Rollen wird sein, diese kulturelle Vielfalt zu garantieren - aber strikt unter der rot-weißen Flagge. Jede noch so kleine Flamme der Unabhängigkeit könnte sich in diesem Vielvölkerstaat zur Feuersbrunst ausbreiten.

Toraja-Land ist Jokowi-Land. Jeder nennt Widodo so. An jeder Ecke hängen Plakate mit seinem Bild. Er kandidiert für die "Partei des demokratischen Kampfes" (PDI-P). Man mag die Einfachheit des 53-Jährigen, der eher durch Zufall Politiker geworden ist. In einem Slum aufgewachsen, studierte er Forstwirtschaft, wurde Möbelhändler und Bürgermeister seiner Heimatstadt Solo. Dort stoppte er die endemische Korruption. Sein Ruf als Unbestechlicher brachte ihn 2012 in die Hauptstadt Jakarta. Jokowi, sagt man, verhalte sich wie ein Mann des Volkes. Er trägt simple Hemden und schleppt seine Koffer selbst.

"Er versteht uns", sagt die alte Frau am Markt im Provinzort Rantepao, als sie stolz Kaffee und Reis zum Kauf anbietet. Sie spricht nur die indigene Sprache der Toraja. Bahasa versteht sie kaum. Das ist typisch für die Situation in vielen ländlichen Gegenden. Wer in diesem Land Präsident werden will, muss an Urgefühle appellieren: Patriotismus, eine Dose Fremdenfeindlichkeit, Versprechen, den Alltag besser zu machen - Themen, die auch Jokowi aufgreift.

Erinnerungen an Suharto

Doch Prabowo Subianto war im Wahlkampf schärfer, sprach vom "Kampf für die Selbstständigkeit" der Nation. Indonesien solle kein "Büttel anderer Länder" sein. "Ich mag Subianto nicht", sagt Arru, der Touristen die Komplexität des Totenkultes der Toraja erklärt. "Er scheint diktatorisch zu sein, wie Suharto." Vieles an Jokowis Gegenspieler erinnert an den ehemaligen Langzeitdiktator: sein aggressives Auftreten, die Karriere als Berufssoldat, als Kommandant der berüchtigten Sondereinsatztruppe "Kopassus". Er soll unter anderem für Massaker in der früheren Provinz Osttimor verantwortlich sein. Aber er sei ein "Macher", meint Ali, der Besitzer eines kleinen Ladens in der Hauptstraße von Ranteopao: "Er wird unsere Straßen ausbauen."

Die Forderungen der Menschen in Toraja sind einfach, sagt Ali: "Gute Straßen, gute Schulen." Ansonsten solle man ihn "bitte in Ruhe machen lassen". Indonesien ist das Land mit der größten muslimischen Bevölkerung der Welt. Es praktiziert mehrheitlich einen moderaten Islam. Im Wahlkampf hat Religion keine Rolle gespielt. "Wir sind aber sehr tolerant", erklärt Reiseleiter Arru, "solange man mit uns tolerant ist."

Kurz vor der Wahl sind alle Plakate entfernt worden. In den Umfragen liegen die Kandidaten gleichauf. Die einflussreiche "Jakarta Post"
unterstützt erstmals in ihrer Geschichte einen Kandidaten: Jokowi. Dies sei "moralische Verpflichtung". Wegen der Menschenrechtsvorwürfe habe Subianto "an der Spitze der drittgrößten Demokratie der Welt keinen Platz". (Urs Wälterlin aus Rantepao, DER STANDARD, 8.7.2014)