Foto: Repro aus Kronen Zeitung
Foto: Repro aus Kronen Zeitung

"Heute die Brasilianer und morgen die ganze Fußballwelt. Mit einem Endspielsieg in Rio": "Krone"-Kolumnist Michael Jeannée wandelt in seiner "Post" an den deutschen Nationaltrainer Jogi Löw in der Abendausgabe (der erste Ausgabe für Dienstag) NS-Sprüche ab.

"Jogi, Jogi über alles" adaptiert die erste Strophe von "Deutschland, Deutschland über alles". Nach dem Sieg über das NS-Regime haben die Allierten das Lied zunächst verboten; das Horst-Wessel-Lied ist noch heute untersagt. Heute ist die dritte Strophe des "Lied der Deutschen" die deutsche Nationalhymne.

"Kraft und Leidenschaft"

Zwischen "über alles" und "Endspielsieg" erinnerte Jeannée in der Abendausgabe an seine Eloge zum Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft: "Ich glaube an den deutschen Fußball, ich liebe ihn. Seine Kraft und Leidenschaft" - immerhin nicht durch Freude. "Sein Aufbäumen in scheinbar aussichtslosen Situationen. Seine Genieblitze. Seine schwarz-rot-goldene Geschlossenheit. Seine deutschen Tugenden in elf Sportlern".

Der Seitenaufmacher neben Jeannées "Post"-Kolumne in der Dienstagausgabe der "Krone": "Nackte am Hakenkreuz: Zwist um Anti-Gewalt-Bild auf Kulturmeile". O-Ton über das Kunstwerk einer thailändischen Künstlerin: "Auch wenn das Werk ,gegen den Faschismus gerichtet ist', könne es von vielen Leuten anders verstanden werden, ist die Magistratsabteilung 45 (Gewässer) besorgt." Das kann Jeannée mit seiner Kolumne eher nicht passieren.

Schmitt: "Text geändert"

Der "Krone"-Chefredaktion ging das dann offenbar doch zu weit. In Teilen der Morgenausgabe wurden zumindest die auf SA-Kampfgesänge und "Endsieg" anspielenden Passagen gestrichen. "Wurde korrigiert" und "Text geändert", meinte etwa Richard Schmitt, der bei der "Krone" als Berater von Herausgeber und Chefredakteur Christoph Dichand fungiert, im Kurzmitteilungsdienst Twitter. Nähere Infos zu den internen Diskussionen über die Jeannée-Kolumne wollte Schmitt im sozialen Netzwerk aber nicht geben.

Presserat befasst sich wiederholt mit Jeannée

Auf Twitter gab es unterdessen Kritik an der mit NS-Anspielungen gespickten Jeannée-Post. Und beim Österreichischen Presserat ist bereits eine Lesermitteilung dazu eingegangen. Einer der Senate werde sich mit der Causa beschäftigen, hieß es. Eine Stellungnahme wolle man deshalb derzeit nicht abgeben, um einer Entscheidung nicht vorzugreifen.

Jeannée gilt in der Medienbranche als Wiederholungstäter in Sachen Grenzüberschreitung. Ein Branchenblatt nannte ihn deshalb einmal "journalistischen Borderliner". Den Presserat hat der langjährige Boulevard-Reporter, der für den Wiener "Express", "Kronen Zeitung", "Bild am Sonntag" und danach wieder für die "Krone" tätig war, in den vergangenen Jahren bereits mehrfach beschäftigt.

"Hegeabschuss" und Kugeln für Räuber

Für "Kurier"-Chefredakteur Helmut Brandstätter forderte er etwa einen "Hegeabschuss", womit er die Absetzung des Zeitungschefs meinte. Rund um einen Überfall mit tödlichen Folgen für einen Jugendlichen hielt Jeannée fest, dass Räuber eben mit einer Kugel zu rechnen und diese auch verdient hätten. Und auch mit einer Glosse über Flüchtlinge sowie über vier einer Straftat verdächtigte junge Männer, die er als "elendes, niederträchtiges Pack" bezeichnet hatte, verstieß Jeannée nach Ansicht des Presserats gegen den Ehrenkodex der österreichischen Presse. Anlässlich der jüngsten Fußball-"Expertise" des "Krone"-Postlers wurden am Dienstag im Internet auch wieder alte "Bild"-Reportagen Jeannées ausgegraben, in denen dieser rund um die Fußball-WM 1978 in Argentinien der dortigen Folter- und Militärjunta quasi einen Persilschein ausgestellt hatte, hier ist eine Zusammenfassung im "Bild"-Blog zu lesen.

"Kein Fremdenhasser"

Jeannée selbst bezeichnete sich in einem Interview rund um seinen 65. Geburtstag als "liberaler Bürgerlicher", "konservativ wie immer" und "Kosmopolit", der "kein Fremdenhasser" und "kein Kopftüchlgegner" sei. Der "Ruf des Rechten" hänge ihm allerdings nach. FPÖ-Rechtsaußen Andreas Mölzer nannte er bei gleicher Gelegenheit "blitzgescheit" und er erklärte stolz, dass es auch in den entlegensten Gegenden der Welt "meine Stärke" gewesen sei, "den Neger zu finden, der ein Telefon hat".

Ob die jüngste Entgleisung des rasenden Boulevard-Expresses seinen Abgang bei der "Kronen Zeitung" beschleunigen könnte, blieb am Dienstag vorerst offen. Der 71-jährige Jeannée, dessen Monatsgage auf einen fünfstelligen Euro-Betrag geschätzt wird, hätte das Pensionsalter längst erreicht. Jeannées Sichtweise war dazu bisher aber klar: Pension interessiere ihn "überhaupt nicht". Er halte nichts von diesem "Jugendwahn". (fid, derStandard.at, 8.7.2014, Update: APA)