Wien - Die Wogen gegen die geplante deutsche Pkw-Maut gehen in Österreich weiterhin hoch. Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) hat am Montag einmal mehr bekräftigt, rechtliche Schritte gegen die Pkw-Maut ergreifen zu wollen. Bures stellte klar: "Der Gleichbehandlungsgrundsatz muss eingehalten werden. Wenn das nicht der Fall ist, wird Österreich alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen." Nun zogen auch die Bundesländer nach.

Der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt hatte am Montag sein Konzept zur Einführung einer Abgabe vorgestellt, die in- und ausländische Autofahrer ab 2016 für die Nutzung des gesamten deutschen Straßennetzes zahlen sollen. Die deutschen Autofahrer sollen aber vor Mehrkosten durch eine Absenkung der Kfz-Steuer bewahrt werden.

Länder im Widerstand

Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) hat ebenfalls den Widerstand Österreichs gegen die geplante deutsche Pkw-Maut gefordert. Er ortet "massive Belastungen für die Nachbarländer und hier insbesondere für unsere Salzburger Pendler, die täglich das kleine deutsche Eck befahren müssen".

Haslauer sprach sich für eine Klage Österreichs beim Europäischen Gerichtshof aus, sollte Deutschland tatsächlich eine flächendeckende Pkw-Maut auf allen Straßen einheben und dabei "nur einseitig ausländische Autofahrer belasten". Die österreichische Bundesregierung müsse auf europäischer Ebene alle Mittel ausschöpfen, um "diese Ungleichbehandlung zu bekämpfen", erklärte Haslauer in einer Aussendung.

Falls Deutschland ein derartiges Mautsystem einführe, müsse die Bundesrepublik damit rechnen, dass auch andere Nachbarstaaten wie Österreich aus Gerechtigkeits- und Gleichheitsgründen ähnliche Regelungen prüfen, bei der Mautgebühren den Einheimischen über Steuern refundiert werden, so Haslauer.

Oberösterreich und Kärnten ziehen mit

Das kann sich laut Ö1-"Morgenjournal" auch der oberösterreichische Verkehrslandesrat Reinhold Entholzer (SPÖ) vorstellen: "Dann werden wir wieder in das Zeitalter der Raubritter zurückfallen, werden Ketten spannen und dementsprechend etwas einfordern von denen, die über unsere Straßen fahren“, sagte Entholzer. Auch Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) kann sich eine Maut nach deutschem Vorbild vorstellen. Eine Arbeitsgruppe sei bereits eingesetzt worden, sie prüfe bis 2015 eine flächendeckende Maut.

Auch Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) hält die Vorgangsweise Deutschlands für "unfreundlich" gegenüber den Nachbarn. Ob es sich dabei tatsächlich um eine Ungleichbehandlung handelt, werde voraussichtlich der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden. Nun kündigten sowohl Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) als auch Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) die Prüfung aller rechtlichen Schritte an.

Die Einschätzung zahlreicher Experten, die die Regelung nicht EU-rechtskonform finden, weil sie Ausländer diskriminiert, relativierte indes der gebürtige deutsche Verkehrsexperte Sebastian Kummer, Vorstand des Institut für Transportwirtschaft und Logistik an der WU-Wien. "Eine Klage birgt immer gewisse Risiken und hohe Kosten. Auch ist eine Argumentation gegen die Kompensation nicht unproblematisch, denn eine Kompensation über eine Reduktion der Kfz-Steuer hat Österreich bei der Einführung der Lkw-Maut auch angewendet", so Kummer.

Protest auch aus den Niederlanden

Protest gegen die deutschen Maut-Pläne kommen allerdings auch aus den Niederlanden. Auch hier befürchtet die Infrastrukturministerin, Melanie Schultz van Haegen, nachteilige Folgen für niederländische Autofahrer. Sie äußerte sich enttäuscht, dass der deutsche Verkehrsminister Dobrindt nicht auf die bereits vor Wochen geäußerten niederländischen Bedenken Rücksicht genommen habe. Sie will nun den für Verkehr zuständigen EU-Kommissar Siim Kallas auffordern zu prüfen, ob die Maßnahme mit europäischem Recht vereinbar ist. Der niederländische Automobilclub ANWB startete am Montag eine Kampagne gegen die Maut. Bürger können online eine Petition unterzeichnen, die dem europäischen Parlament angeboten werden soll.

Wohlwollende Prüfung

Der deutsche Energiekommissar Günther Oettinger hat eine wohlwollende Prüfung der deutschen Pkw-Mautpläne durch die EU-Kommission zugesagt. Die Kommission werde das Konzept auf seine Vereinbarkeit mit dem Europarecht eingehend untersuchen, sagte Oettinger am Dienstag im Deutschlandfunk. Sie sei in ihrem Urteil offen.

Der Kommissar betonte mit Blick auf die geplante Ausgleichsregelung für inländische Autofahrer über eine abgesenkte Kfz-Steuer, dass die Besteuerung Sache der Mitgliedstaaten sei. Wichtig sei allerdings, dass die Pkw-Maut auf deutschen Straßen für Inländer nicht eins zu eins mit der Kfz-Steuer verrechnet werde dürfe. Grundsätzlich sei der deutsche Ansatz, dass jeder die Abgabe zahlen müsse, aber richtig. Auf lange Sicht schwebt Oettinger nach eigenen Worten vor, eine europäische Straßenverkehrsabgabe einzuführen.

Bewährtes System

In Österreich kann man den Mehrwert einer solchen Regelung nicht nachvollziehen, heißt es aus dem Verkehrsministerium auf derStandard.at-Anfrage. Man habe hierzulande ein bewährtes, akzeptiertes System. Einen Umstieg von der Pickerl-Vignette auf eine elektronische Vignette sei allerdings eine Option, die die Asfinag derzeit prüfe. An der kilometerunabhängigen Maut soll damit nicht gerüttelt werden, lässt Verkehrsministerin Doris Bures ausrichten.

Angesprochen auf die Aufregung in den Nachbarländern sagte Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble am Dienstag, er kenne die Debatten aus der Vergangenheit, als Österreich eine solche Maut einführte. "Die Niederländer müssen sich noch nicht in Verzweiflung stürzen", erklärte er am Dienstag nach dem ECOFIN in Brüssel.

"Es kommt in den besten Familien vor. Außerdem hat Deutschland die Maut noch nicht eingeführt. Wir prüfen sorgfältig, ob es europarechtliche Einwendungen gibt. Das prüfen wir in einem sehr vertrauensvollen Prozess auch mit der Kommission, wie wir das machen können." Schäuble erklärte, er habe darüber auch mit EU-Verkehrskommissar Kallas gesprochen. (APA/red, derStandard.at, 8.7.2014)