Zum dritten Mal seit dem Ende der Diktatur konnten die Indonesierinnen und Indonesier am Mittwoch ihren Präsidenten wählen. Der altgediente Präsident Susilo Bambang Yudhoynono darf nicht mehr antreten, ein neuer Kandidat kommt nun zum Zug. Insgesamt 190 Millionen Stimmberechtigte gab es, rund ein Drittel davon durfte zum ersten Mal wählen.

Laut ersten Teilergebnissen liegt Joko Widodo (Spitzname "Jokowi") derzeit bei 53 Prozent, Kontrahent Prabowo Subianto bei 47 Prozent. Prabowo sieht das Kopf-an-Kopf-Rennen noch nicht entschieden, sowohl er als auch Jokowi haben sich in einer ersten Reaktion bereits zum Sieger erklärt. Das offizielle Ergebnis lässt auf sich warten und soll am 22. Juli verkündet werden.

Möbelverkäufer gegen General

Jokowi - der ehemalige Gouverneur der Hauptstadt Jakarta, der äußerlich an den US-Präsidenten Barack Obama erinnert und vom Möbelverkäufer zum Politiker aufstieg - war zu Beginn des Wahlkampfs als eindeutiger Frontrunner gehandelt worden.

In den letzten Monaten offenbarte sich allerdings, dass es für Jokowi kein Leichtes ist, in ganz Indonesien Wähler zu mobilisieren. Angriffe der Anhänger Prabowos, die ihn als Chinesen, Christen oder eine Marionette der Kommunisten zu verunglimpfen versuchten, zeigten Wirkung in der Bevölkerung. Jokowis Kampagne wirkte im Vergleich zu der von Prabowo unbeholfen und träge.

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Jokowi und Prabowo hoffen, zum Präsidenten gewählt zu werden.
Foto: AP/Syuflana

Moderater oder konservativer Islam

Die kampagnenfreie Zeit nach Abschluss des Wahlkampfs am Samstag nutzte Jokowi dann noch, um ein symbolisches Zeichen zu setzen. Er flog kurzerhand nach Mekka in Saudi-Arabien, besuchte die große Moschee und umrundete die Kaaba, um die hartnäckigen Gerüchte zu entkräften, er sei Christ und nicht Muslim.

Die Frage der Religion und insbesondere jene nach der Auslegung des Islam ist für die Wähler entscheidend. Während sich von Jokowi und dessen Demokratischer Partei des Kampfes Indonesiens (PDI-P) vor allem moderate Muslime angesprochen fühlen, wird Prabowo vorwiegend von konservativen, aber auch extremistischen muslimischen Gruppen unterstützt, die es ihm ermöglicht haben, zum ernsthaften Gegner Jokowis zu werden. Denn bei der Parlamentswahl im Mai erhielt Prabowos eigens dafür gegründete Gerindra-Partei nur 11,8 Prozent der Stimmen.

"Kriegsherr" des Islam

Beide Kandidaten betonen offiziell, dass sie die religiösen Freiheiten im Land hochhalten wollen. Prabowo verweist auf seine Geschwister, die dem christlichen Glauben angehören - seine Schwester ist katholisch, sein Bruder protestantisch. Die Vereinnahmung durch religiöse Hardliner, die ihn als "Kriegsherrn" für den Islam bezeichnen, kann Prabowo mit solchen Hinweisen jedoch nicht ablegen. Als ehemaliger General der indonesischen Armee versucht er, sich diese Kräfte nicht zum Feind zu machen, sondern sie unter seiner Kontrolle zu halten.

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Wahlurnen werden in die entlegenen Gebiete Indonesiens transportiert.
Foto: AP/Trisnadi

Auch die Nähe zum einstigen Diktator Suharto, dessen Schwiegersohn Prabowo ist, nützt dem ehemaligen General derzeit mehr, als sie ihm schadet. 1998 war sie noch der Grund gewesen, warum er aus dem Militär entlassen wurde. So sollen unter seinem Kommando Studenten entführt und gefoltert worden sein. Mit demselben Hardliner-Image sammelt Prabowo, der gerne in Uniform auftritt, nun erneut Sympathiepunkte.

Vor allem viele junge Indonesier, die die Zeit der Diktatur nicht miterlebt haben und nun zum ersten Mal wählen dürfen, sind von Prabowos Führungsqualitäten und seinem durchschlagskräftigen Nationalismus überzeugt. Von seinen Gegnern werden seine mündlichen Bekenntnisse zur Demokratie hingegen angezweifelt und Rückschritte befürchtet. So ließ Prabowo in Diskussionen unter anderem anklingen, dass eine direkte Präsidentenwahl, wie es sie derzeit gibt, nicht "indonesisch" sei und er die alte Verfassung von 1945 wieder in Kraft setzen wolle. Diese würde dem Präsidenten noch mehr Befugnisse geben, Kontrollmechanismen abschaffen sowie eine Zentralisierung forcieren. Auch den Menschrechtsgerichtshof will Prabowo wieder abschaffen.

Seine Anhänger sparen auch nicht mit drastischer Symbolik. So wirbt unter anderen der Sänger Ahmad Dhani mit einem Cover von "We Will Rock You" in Himmlers SS-Uniform für den Kandidaten der Liste 1 (siehe Youtube-Video).

Religiöse Minderheiten und Menschenrechtsaktivisten verfolgen die Kandidatur Prabowos mit Besorgnis und befürchten unter seiner Präsidentschaft das Aufkeimen neuer religiöser Konflikte. Prabowos Gegner Widodo profitiert indirekt von dieser Polarisierung. Zu seiner Wählerbasis zählen viele Hindus und Christen. In der Vergangenheit scheute sich Jokowi als Gouverneur auch nicht, eine christliche Frau in sein Team zu holen. Und auch wenn sein Programm wenige konkrete Ideen bietet, gilt Jokowi in der Bevölkerung doch als erfolgreicher Bekämpfer von Korruption, der bisher mit seiner Bescheidenheit Sympathien gewinnen konnte.

Die allerletzten Umfragen sahen ihn dann auch ein paar Prozentpunkte vor seinem Kontrahenten Prabowo. Doch laut "Wall Street Journal" haben bis kurz vor der Wahl am Mittwoch fast zehn Prozent aller Wähler nicht gewusst, wem sie ihre Stimme geben werden. In der drittgrößten Demokratie der Welt stellen diese 15 Millionen eine entscheidende Größe dar. (red/tee, derStandard.at, 9.7.2014)