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Michael Spindelegger und Werner Faymann üben Streitbeilegung beim Ministerrat: Der Vizekanzler ist plötzlich zufrieden, der Kanzler zürnt den Medien.

Foto: apa/Schlager

Wien – In übler Stimmung in die Ferien gehen: Das will sich nicht einmal die an Zank und Hader gewöhnte große Koalition antun. Also bemühten sich die Regierungsspitzen beim letzten Ministerrat vor dem Sommer, den seit Tagen ausgefochtenen Streit über das Budget und etwaige darin versteckt Löcher zu beerdigen. Kanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann von der SPÖ verwahrte sich nach wie vor gegen Dramatisierungen, Finanzminister und ÖVP-Obmann Michael Spindelegger verteidigte sein „Alarmsignal“ – doch beide verkniffen sich, einander direkt zu widersprechen.

Allerdings hielten sich nicht alle Koalitionäre ans Drehbuch. Spindelegger, der bei den Pensionen den größten Teil der laut eigener Budgetkontrolle fehlenden „mehreren Hundert Millionen“ ortet, durfte sich angesprochen fühlen, als Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) vor der Sitzung grantelte: Es gebe keinen Anlass, „Horrorstimmung“ zu verbreiten.

Sozialminister Hundstorfer wehrt sich

Zwar bestätigte Hundstorfer, dass die Kosten für die ASVG-Pensionen – wie vom STANDARD bereits am Freitag berichtet – laut jüngster Prognose am Jahresende um 200 Millionen höher liegen dürften als geplant, allerdings handle sich um konjunkturbedingt schwankende Kosten, weshalb sich dies mit der nächsten Wachstumsprognose wieder ändern könnte. Im Übrigen, merkt der Minister an, habe er keinen Vorschlag von Spindelegger bekommen, etwas anders zu machen.

Haben SPÖ und ÖVP auch über die Pensionen hinaus einen Gesamtbetrag jener Kosten außer Streit gestellt, die der prognostizierte Konjunkturknick zu verursachen droht? Der Kanzler vertraue den Zahlen des Finanzministeriums, antwortete Spindelegger unwidersprochen. Preisgeben will er diese aber nicht: „Beträge nenne ich deshalb nicht, weil wir mit den Ministern erarbeiten, wie sie wieder in die Budgetspur kommen.“ Weil nun ein Weg dorthin, die vielzitierten „Hausaufgaben“, vereinbart worden sei, gibt sich der Finanzminister nun wieder optimistisch, eine „Punktlandung“ beim Budget zu erreichen.

Allerdings muss Spindelegger eine Hoffnung aufgeben: Als die EU-Kommission im Mai Nachbesserungen im Budget gefordert hatte, rechnete er in einem Brief an Brüssel mit 300 Millionen an Mehreinnahmen dank besserer Konjunktur. Weil dies nach derzeitigem Stand Wunschtraum bleiben dürfte, wird jene im Brief angeführte Maßnahme wahrscheinlicher, die als letzter Ausweg geplant war, um die EU-Vorgaben zu erfüllen: Ad-hoc-Kürzungen im Ausmaß von bis zu 350 Millionen Euro.

Kanzler Faymanns Schwankungsbreite

Auch die Sozialdemokraten halten sich bei der Bezifferung des Fehlbetrags zurück, doch in Regierungskreisen rät man, Kanzler Faymann durchaus wörtlich zu nehmen. Dieser sagte: „Wenn man 99 Prozent auf Spur ist, und ein Prozent Schwankungsbreite zu behandeln hat, ist das die Normalität einer Regierung.“ Angesichts eines Bundeshaushalts von heuer knapp 76 Milliarden Euro ergibt sich aus dieser Rechnung ein Betrag von gut 700 Millionen, der laut Prognose das veranschlagte Jahresbudget übersteigt.

Nachbesserungen dieser Kategorie gehören nach Ansicht des Regierungschefs zur Routine: „Es gibt keinen Tag, wo nicht irgendetwas zu justieren ist.“ Er verstehe deshalb nicht, was da für eine „Riesenaffäre“ sein solle, sagt Faymann mit Seitenhieb auf die Medien. Ja, es habe vor dem Ministerrat ein Gespräch über die Halbzeitbilanz der Budgets gegeben, doch von einem Krisentreffen zu sprechen sei eine „sinnlose Übertreibung“: Gebe sich die Koalition bedeckt, werde ihr Schweigen vorgeworfen, führe sie eine lebhafte Diskussion, sei von Streit die Rede, ärgert sich der Kanzler. Dabei läge zwischen den Extremen noch etwas anderes: „die tägliche Arbeit.“ (Gerald John, Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 8.7.2014)