Bagdad - Überraschende Kehrtwende im irakischen Parlament: Die Abgeordneten werden anders als geplant bereits am Sonntag mit der Wahl einer neuen politischen Führung beginnen. Dabei war erst am Montag die nächste Sitzung des Parlaments trotz der schweren Krise im Land auf Mitte August verschoben worden. Nach Kritik mehrerer Parteien revidierte Alterspräsident Mahdi al-Hafez die Entscheidung am Dienstag.

Berichten zufolge sollen Kämpfer der radikalsunnitischen, extremistischen Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) einen weiteren Ort, nördlich der seit Tagen umkämpften Stadt Baiji, unter ihre Kontrolle gebracht haben. Demnach sollen die Kämpfer rund 50 Einwohner im Anschluss daran ermordet haben.

Neue Führung

Die wichtigste Aufgabe des Parlaments ist die Wahl einer neuen Führung. Sie gilt als Voraussetzung, um die politische Blockade in Bagdad beenden und den Vormarsch der Terrorgruppe IS, vormals "Islamischer Staat im Irak und in der Levante" (ISIS/ISIL), stoppen zu können. Die Abgeordneten müssen in ihrer Sitzung am 13. Juli zunächst einen Parlamentspräsidenten bestimmen. Später steht die Wahl eines Staats- und eines Regierungschefs an.

Eine Entscheidung über den Ministerpräsidenten wird für Sonntag noch nicht erwartet. Um den Posten gibt es seit Wochen einen heftigen Streit zwischen den Parteien. Die erste Sitzung des neuen Parlaments Anfang des Monats war etwa nach lautstarken Wortgefechten zwischen den Abgeordneten frühzeitig beendet worden. Mit seiner Entscheidung, die nächste Parlamentssitzung doch nicht erst Mitte August stattfinden zu lassen, wolle er den Aufbau der Demokratie im Irak sichern, sagte Hafez.

Der schiitische Regierungschef Nuri al-Maliki ist seit 2006 im Amt und möchte für eine dritte Wahlperiode wiedergewählt werden. Er stützt sich dabei auf die Wahlen Ende April, bei denen seine Rechtsstaats-Allianz die meisten Stimmen gewonnen hatte. Allerdings braucht Maliki für seine Wahl Koalitionspartner.

Schiitische, sunnitische und kurdische Politiker fordern jedoch seinen Rückzug. Sie werfen ihm unter anderem vor, seine von Schiiten dominierte Regierung diskriminiere die sunnitische Minderheit im Land. Damit habe sie den Boden für den Vormarsch der IS-Extremisten bereitet.

Die radikalsunnitische, extremistische IS konnte das Machtvakuum in Bagdad für einen Vormarsch im Norden und Westen des Landes nutzen. Dort kontrolliert sie derzeit große territoriale Gebiete. Erklärtes Ziel der Extremisten ist die Einnahme der irakischen Hauptstadt. Die Terrormiliz hatte vor mehr als einer Woche ein "Islamisches Kalifat" im Irak und in Syrien ausgerufen. Auch im benachbarten Bürgerkriegsland stehen bereits weite Gebiete unter der Kontrolle der Terrorgruppe.

IS-Milizen brachten am Dienstag den Ort Al-Zawiya nördlich der seit Tagen umkämpften Stadt Baiji unter ihre Kontrolle. Anschließend hätten sie 50 Bewohner des Ortes mit Schüssen hingerichtet, berichtete das irakische Nachrichtenportal "Shafaaq News". Unter den Menschen im Ort herrsche Schrecken, sagte ein Augenzeuge der Nachrichtenagentur dpa.

Al-Zawiya liegt rund 50 Kilometer von einer der größten Ölraffinerien des Landes entfernt. IS-Kämpfer hatten die Raffinerie bereits in den vergangenen Tagen angegriffen, wurden jedoch vom irakischen Militär zurückgeschlagen. (APA, 8.7.2014)