Wien - Die österreichische Finanzmarktaufsicht (FMA) fühlt sich gehandicapt, wenn es um die Verfolgung bei Insiderverdacht und Verstößen gegen Meldepflichten geht. Aktuell auch im Streit, ab wann eine börsennotierte Firma Informationen melden muss. Nach mehreren Freisprüchen - darunter im Fall Raiffeisen - wird von der FMA nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) eingeschaltet.

Es wird eine "Klarstellung" vom europäischen Höchstgericht erwartet, wie die Aufseher in Wien Montagabend vor Journalisten sagten. In den Augen der FMA-Vorstände Klaus Kumpfmüller und Helmut Ettl kann eine Insider-Information bei mehrstufigen Mergers oder anderen kursrelevanten Ereignisses schon bei Zwischenschritten und damit sehr früh eine kursrelevante Insiderinformation entstehen. Dann dürften die Beteiligten (Manager) zumindest nicht mehr in ihren Aktien handlen.

Schon vor zwei Jahren hatte der EuGH einmal befunden, dass Konzerne schon dann kursrelevante Belange berichten müssen, wenn sie noch in Vorbereitung sind, also auch bei einzelnen Schritten, unabhängig von der Eintrittswahrscheinlichkeit. Anlassfall war damals der Abgang des früheren Daimler-Bosses von Jürgen Schrempp. Ein Anleger hatte geklagt, weil er sich zu spät über Schrempps Ausscheiden informiert sah. Der Streit hatte sich über Jahre gezogen.

Im Fall, den die FMA aus Österreich jetzt via Bundesverwaltungsgericht an den EuGH schicken ließ, ging es um die Verletzung der Ad-hod-Meldepflicht. Ob es um die Fusion RZB/Raiffeisen International ging, sagte die FMA nicht, es liegen mehrere ähnlich gelagerte Fälle vor.

Strafbescheid aufgehoben

Bei Raiffeisen wurde vom Verwaltungsgerichtshof ein Strafbescheid aufgehoben, darunter gegen den einstigen RBI-Chef Herbert Stepic. Die Aufsicht warf den Managern vor, die Bank hätte früher informieren müssen, welche Optionen des Zusammenschluss es gibt. Das sahen die Verwaltungsrichter anders. Folge man Urteilen des Verwaltungsgerichtshofs, so entstünde eine Insiderinformation erst, wenn das in Rede stehende Ereignis auch in einem mehrstufigen Verfahren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintritt, kritisiert die FMA.

Bekäme die FMA beim EuGH recht, dann sähe sie zumindest in diesem Fall klargestellt, was Insiderinformationen sind, an denen dann der Tatbestand des Marktmissbrauchs Ad-hoc-Meldepflichten hängen.

Auch an anderen Grundsatzformulierungen und Definitionen hakt es nach Ansicht der Aufseher, ein Teil wird mit Übersetzungsschwächen ins Deutsche erklärt. "Es geht um die Glaubwürdigkeit unseres Kapitalmarktes", so Kumpfmüller.

Nach den EU-Richtlinien reicht das Wissen um einen Insidersachverhalt, hierzulande hingegen müssen Vorsatz und Bereicherungsabsicht vorliegen. In Österreich muss der Ankläger - also die Behörde - die "Kausalität" nachweisen. Hätte ein Verdächtiger ohnedies gehandelt, oder weil ihm ein Bankberater dazu geraten habe, ist das nach gängiger heimischer Judikatur hierzulande kein Insiderdeal. Fahrlässigkeit sei hierzulande totes Recht, könne nicht exekutiert werden, beklagt die FMA.

Seit Gründung der FMA hat die Behörde 20 Fälle mit 86 Beschuldigten zur Anzeige gebracht. In sieben Fällen sei es zur Anklage gekommen, nur in zwei Fällen zu rechtskräftigen Verurteilungen. Eine dreimonatige Gefängnisstrafe (bedingt) fasste in Österreich ein Drucker aus, der mit dem Druck von Einladungen zu einer Pressekonferenz (von BWT) gedruckt hatte. Im Fall der Bier-Insiderprozesse gab es Geldbußen. Vier von der FMA aufgerollte Fälle wurden über Diversion abgehandelt.

Bei in den Augen der FMA eindeutigerer gesetzlicher Formulierung gemäß der europäischen Rechtslage hätten die 20 Fälle mit den 86 Beschuldigten durchwegs in Verurteilungen geendet. (APA, 8.7.2014)