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Sängerin Natalie Cole in der Wiener Staatsoper.

Foto: APA/EPA/HERBERT NEUBAUER

Wien - Das Quantum Stimme, das ihr geblieben ist, setzt sie smart ein. Natalie Cole verbreitet in der Wiener Staatsoper das Flair einer gestopften Trompete; mit kühlem Understatement mäandert sie prägnant phrasierend durch manchen Song. Auch eine Portion "Swubiduba", ein bisschen Scatten also, ist da zwischendurch drin. Cole hat dabei einen Hauch von Ella Fitzgerald in der Stimme, dem sie - in jazzigen Balladen - Fragil-Neckisches in der Nachfolge von Billie Holiday beimixt.

Die Tochter des 1965 verstorbenen Sängers Nat King Cole ist somit eine edle Verwalterin jener Beschränkungen, die ihr auferlegt sind. Schön kurzatmig, herb Fever zu Beginn. Mit etwas Ausdruckstiefe versehen sogar das schnulzige Lollipops And Roses, was angesichts der Soundumgebung zum Wunder wird: Schließlich klingt es - ob der aus Keyboards kommenden Streicherplastik -, als stünde hier die Billigcombo einer Abschlussfete der Verkaufsmesse für Landwirtschaftsgeräte auf der Bühne.

Bedrohlich wird es für Cole, wenn sie zum Transport großer Gefühle ansetzt. Impulsivität bringt eher Ramponiertes zum Vorschein - etwa beim Medley. Mit selbigem erweist Cole Soul- und Disco-Klassikern ihre Reverenz: unter anderem mit Michael Jacksons Human Nature und Donna Summers reichlich billig umgesetztem Hit She Works Hard for the Money. Dann schon lieber Latinhaltiges. Hier vermag Cole durch Zurückhaltung - ob es sich um Quizás, Quizás, Quizás oder Bésame mucho handelt - gewisse Noblesse auszustrahlen, wie auch bei Miss you like crazy, ihrem Hit von 1989, zu dem sie die Lyrics schrieb. Natürlich Unforgettable: Der Song von Irving Gordon wurde ein Klassiker in der Version von Nat King Cole. Als posthum aufgenommenes Duett von Vater und Tochter brachte er auch Natalie Cole wieder in die Hitparaden - und nun die väterliche Geniestimme in die Staatsoper.

Mit dem ambivalenten Cole-Abend ging aber auch die Staatsopernschiene eines Jazzfestivals symptomatisch zu Ende, das sich wieder für eine Reform empfahl. Der schwache Jahrgang erleuchtet die notorischen Probleme: Durch Subventionen abgesichert, mixt man soulige und jazzige Künstler, die teils nicht mehr auf der Höhe ihrer Kunst sind, mit Popakts, welche andere Veranstalter mit vollem Finanzrisiko präsentieren.

Statt maßgebliche Jazzvertreter der jungen und mittleren Generation großzügig (und nicht nur im Jazzclub) zu engagieren, setzt man seit Jahren auf trostlose Wiederkehr alter Bekannter. Die Balance zwischen den Genres stimmt nicht. Es fehlt der Blick für das gerade Interessante und Angesagte. Und es wundert nicht, dass die kaum geförderte heimische Szene angesichts all dessen - und ihrer Nichtbeachtung - in sozialen Netzwerken verbal rotiert. (Ljubiša Tošić, DER STANDARD, 9.7.2014)