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Zehn Prozent der Befragten gaben im Rahmen einer Studie an, dass sie Windparks "ziemlich stark belästigen" würden.

Foto: dpa/Christian Charisius

Wien/Wilstedt - Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Stress können Windkraftanlagen angeblich auslösen. Grund dafür sei der Lärm, den die rotierenden Flügel verursachen - aber auch der eigentlich unhörbare Infraschall wird immer wieder als gesundheitsgefährdend diskutiert. Als Belästigung können auch der Schattenwurf eines Windrades oder schlicht seine Optik in der Landschaft empfunden werden. Diese und andere Sorgen und Probleme plagen manch einen Anwohner eines Windparks, aber auch Menschen, die mit der geplanten Neuerrichtung einer Anlage in ihrer Nachbarschaft konfrontiert werden.

Ernst genommen wurde nun zumindest eine dieser Sorgen - nämlich von einem Team deutscher Gesundheits- und Umweltpsychologen. In einem Windpark im niedersächsischen Wilstedt führten die Forscher der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zwischen 2011 und 2014 eine Studie durch. Das Ziel: Feststellen, wie sich Geräusche, die von Windrädern ausgehen, auf die Anrainer auswirken. Das Ergebnis zeigt, dass die Anlagen mehrheitlich nicht als Belästigung empfunden werden.

Großteil mittelmäßig oder nicht belästigt

Nur zehn Prozent der Studienteilnehmer gaben an, sich vom benachbarten Windpark "ziemlich stark belästigt" zu fühlen - dieses Empfinden ging mit Einschlafschwierigkeiten und negativer Stimmung einher. 25 Prozent fühlten sich belästigt, gaben aber keine Stressbeschwerden an. Der Rest der Studienteilnehmer fühlte sich nur mittelmäßig oder gar nicht belästigt. Insgesamt wurden die Geräusche der Windräder als vergleichbar mit Verkehrslärm beschrieben - der von den Beteiligten häufiger als Ursache körperlicher und psychischer Beschwerden genannt wurde.

212 Anwohnerinnen und Anwohner wurden ausführlich befragt: Insgesamt 450 Fragen zu einer typischen Belästigungssituation (Tageszeit, Windverhältnisse, gestörte Tätigkeit) mussten beantwortet werden. Die Studienteilnehmer wurden außerdem mit Audiorekordern und Beschwerdebögen ausgerüstet. Faktoren wie Lärmempfindlichkeit, gesundheitliche Vorbelastung und Abstand zum Windpark wurden ebenso eingebunden wie physikalische Messungen zur Geräuschkulisse. Diese Kombination aus Untersuchungsmethoden sei bisher einzigartig, sagen die Forscher.

Nocebo-Effekt

Aussagekräftige Studien zu Lärm oder Infraschall aus Windrädern gibt es in Österreich bislang nicht. Erst kürzlich forderte die Wiener Ärztekammer "umfassende Untersuchungen hinsichtlich etwaiger gesundheitsschädlicher Auswirkungen". Denn Befindlichkeitsstörungen von Anrainern müssten auch dann ernst genommen werden, wenn sie in einem Nocebo-Effekt begründet seien.

Das Phänomen bezeichnet - im Gegensatz zum Placebo-Effekt - negative (körperliche) Reaktionen auf gerüchteweise ungesunde Umwelteinflüsse. Das sei aber nicht der einzige Grund für Beschwerden, sagt IG Windkraft-Sprecher Martin Fliegenschnee im Gespräch mit derStandard.at. Die meisten Ängste würden vor dem Bau einer neuen Anlage geäußert, weil die Menschen noch nicht ausreichend informiert seien. Beschwerden von Anrainern bestehender Windparks gebe es nur selten. Wer aber der Windkraft gegenüber grundsätzlich negativ eingestellt sei, fühle sich auch stärker belästigt, meint Fliegenschnee.

Die Forscher der Martin-Luther-Universität kommen nicht zur selben Schlussfolgerung: Deutlich positiv eingestellt seien diejenigen gewesen, die sich nicht belästigt fühlten - und auch Belästigte seien durchschnittlich nur leicht negativ eingestellt.

Situation in Österreich

Die Ergebnisse der Studie ließen sich aber nicht ohneweiters auf die österreichische Situation übertragen, gibt Fliegenschnee von der IG Windkraft zu bedenken. Die gesetzlichen Regelungen zu Abstand und Geräuschentwicklung seien unterschiedlich. Während in Deutschland zwischen Windpark und Wohnbebauung derzeit noch ein Abstand von 800 Metern üblich sei, ist in Österreich seit 2004 ein Mindestabstand von 1200 Metern gesetzlich vorgeschrieben. Der könne je nach Ergebnis der Geräuschpegelmessung auch größer ausfallen.

Die Nähe zum Windrad hat aber möglicherweise gar keinen Einfluss auf die empfundene Belästigung. Laut den deutschen Umweltpsychologen bestehe hier "kein bedeutsamer Zusammenhang". Eine "positive Veränderung" begründen die Forscher damit, dass die an der Studie beteiligten Anrainer, das Gefühl hatten, ernst genommen und ausführlich informiert zu werden. Die Geräuschbelästigung nahm nämlich im Laufe der mehrjährigen Studie ab - und von den ursprünglich genannten zwölf Stress-Symptomen blieben nur drei übrig. (Christa Minkin, derStandard.at, 9.7.2014)