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Der designierte EU-Kommissionspräsident fordert Transparenz: Wer wo ein- und ausgehe, müsse öffentlich sein.

Foto: reuters/allegri

Brüssel - Wenn große politische Abkommen vor der Tür stehen, ist Reden nicht Silber, sondern Gold. Oft können einzelne Worte eines Gesetzes dafür Sorgen, dass für das eigene Unternehmen finanzielle Vor- oder Nachteile entstehen. In der EU und den USA steht das Freihandelsabkommen TTIP vor der Tür. Geht es nach einem Bericht des Corporate Europe Observatory (CEO), dann reden sich Unternehmens-Lobbyisten auf der Suche nach Gold den Mund wund.

Ein am Dienstag veröffentlichter Bericht über Lobbying-Kontakte der EU-Handelsdirektion zeigt, dass im Vorfeld der Verhandlungen zu TTIP 92 Prozent der Lobbying-Termine mit Unternehmen stattgefunden haben. Nur vier Prozent der Kontakte fanden laut CEO-Definition mit Gruppen des öffentlichen Interesses statt. Die Zahlen sind Wasser auf die Mühlen der Kritiker des Abkommens, die eine zu starke Einflussnahme von Unternehmen befürchten.

Bei den Terminen dominierte die Agro- und Lebensmittelindustrie, die es zwischen Jänner 2012 und April 2013 auf 113 Termine von insgesamt 560 schaffte. Darunter fallen laut der NGO etwa Nestlé und Mondelez. Auf 80 Beiträge schafften es sektorenübergreifende Gruppen wie Businesseurope und die US Chamber of Commerce, zwei einflussreiche Unternehmer-Zusammenschlüsse. CEO zählte alle Gruppen zusammen, die Beiträge zu öffentlichen Konsultationen, zivilgesellschaftlichen Dialogen und Stakeholder-Treffen geleistet haben.

Die Daten der NGO reichen nur von Jänner 2012 bis April 2013, die offiziellen Gespräche zwischen der EU und den USA haben Mitte Juli 2013 begonnen. Sie behandeln darüber hinaus nur Kontakte mit der Generaldirektion Handel. Andere in die Verhandlungen involvierte Bereiche sind nicht dabei. Die EU-Kommission gliedert sich insgesamt in 33 Generaldirektionen und mehrere Dienststellen.

Kritiker des Freihandelsabkommens beschweren sich über die mangelnde Transparenz in den Verhandlungen. Was der aktuelle Stand der Verhandlungen ist und worüber genau geredet wird, ist nicht öffentlich. Die EU-Kommission begründet das strategisch: Würden die USA ihre Position kennen, wäre das ein Nachteil. Kritiker, die sich jetzt gestärkt fühlen dürften, fürchten zu große Einflussnahme von Unternehmen.

Wissen, wer ein- und ausgeht

Der designierte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sprach sich am Mittwoch im EU-Parlament indessen für größere Transparenz aus. Jeder solle wissen, wer bei ihm ein- und ausgehe. Gleichzeitig forderte er das auch von allen Parlamentsabgeordneten. Dass bei TTIP alle Verhandlungsdokumente offengelegt werden, hält auch er nicht für sinnvoll. Bestimmte Dokumente könne man aber schon veröffentlichen, so Juncker.

Der Bericht von Corporate Europe Observatory zeigt auch, dass das freiwillige Lobbying-Register der EU nur mäßig funktioniert. Ein Drittel der im Bericht vorkommenden Lobbyisten ist nicht registriert. Die offiziellen TTIP-Verhandlungen zwischen der EU und den USA gehen nächste Woche in Brüssel in die sechste Runde. (sat, derStandard.at, 9.7.2014)