Es gehört viel dazu, dass die "Bild"-Zeitung, das deutsche Zentralorgan für nationale Befindlichkeiten aller Art, einmal sprachlos ist. Auf Seite eins ist am Tag nach dem Spiel der Spiele nur ein Foto vom Match zu sehen, darüber steht: "7:1 - Ohne Worte!" "Ramba Samba!" titelt hingegen die "Hamburger Morgenpost", und die "Welt" schreibt von einer "Anomalie der Fußballgeschichte". So sehen es viele Deutsche. Die "Süddeutsche Zeitung" sieht eine Mannschaft, die sich "im Rausch nach Rio" aufmachte, zum Finale am Sonntag.

Fassungslos, sprachlos, Wahnsinn - das sind die am meisten gebrauchten Worte. Keiner kann es sich so richtig erklären, außer natürlich der ewig allwissende "Kaiser" Franz Beckenbauer, der über die gebeutelte brasilianische Elf sagt: "Das war ein einziges Durcheinander und Debakel." Tagsüber sind die sieben Tore in allen Nachrichtensendungen unzählige Male zu sehen. Sie werden an erster Stelle gezeigt und verdrängen zunächst sogar die Eskalation in Nahost als Spitzenmeldung.

Traum vom Titel

Der Titel ist nun in greifbarer Nähe. Seit 2006 die WM im eigenen Land stattgefunden hat, waren die Deutschen nur in die Nähe des 36,8 Zentimeter hohen und 3,675 Kilogramm schweren Goldpokals gekommen: Platz drei (Sommermärchen-WM 2006), "zweiter Sieger" bei der EM 2008, Rang drei (WM 2010). Bei der EM 2012 schieden sie im Halbfinale gegen Italien aus und fuhren danach ohne Spiel um Platz drei frustriert nach Hause.

Nicht nur das Volk, auch Trainer Jogi Löw, der seit 2006 die deutsche Nationalmannschaft trainiert, lechzt nach dem Titel. Für die deutsche Bundeskanzlerin, die am kommenden Donnerstag 60 Jahre alt wird, wäre er auch ein schönes Geburtstagsgeschenk.

Sie und Bundespräsident Joachim Gauck sind am Sonntag beim Finale gemeinsam im Stadion von Rio. Merkel hatte schon beim Auftaktspiel (4:0 gegen Portugal) vor Ort gejubelt und danach die Mannschaft in der Kabine besucht. Für Torhüter Manuel Neuer war das damals ein gutes Omen. Und Lukas Podolski postete auf Facebook ein Selfie mit der lächelnden Kanzlerin.(Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, 9.7.2014)