In Werner Faymanns Haut möchte dieser Tage wohl keiner stecken. Egal in welche Richtung er sich mit seiner Partei bewegt - sofern er es würde - er stößt  immer an endlos tiefe Abgründe. Auf der einen Seite hat ein Großteil der Wähler den Eindruck, die Genossen haben sich von der ÖVP während der Regierungsbildung über den Tisch ziehen lassen (Stichwort: Reichensteuer), auf der anderen Seite ist Faymann, wie Hanna Kordik in der Online-Ausgabe der Presse anhand den Beispielen Telekom und ÖIAG beschrieben hat, politisch zu schwach, und somit haben die Berater mit einer eindeutig politischen Agenda das Sagen. Anhand der drei folgenden Metaphern möchte ich kurz erläutern, welche Abgründe für die Sozialdemokraten wohl am schwierigsten zu überwinden sind.

Abgrund EU-Wahl

Der Spitzenkandidat Eugen Freund mag ein sympathischer, intelligenter Mensch sein, der Zusammenhänge versteht und vielleicht auch erklären kann, aber gerade bei seinen ersten TV-Auftritten als Neo-Politiker ergab sich den Zusehern das absolute Gegenteil. Ein unsympathischer, weltfremder Mensch, der ständig – ähnlich der Stronach-Manier – von seinem USA Aufenthalt redete und sein Gesicht schon auf Autobussen sah.

Eine Idee, warum gerade Eugen Freund zum Spitzenkandidaten der SPÖ wurde und somit den Stillstand förderte, ist das Durchschnittsalter der Zeit im Bild 1 Zuseher. Sowohl die Hauptwählergruppe der SPÖ1 als auch die Hauptzielgruppe der ZiB1 begrenzt sich nahezu auf Menschen um die 60 und älter.

Die Anliegen der Älteren zu vertreten ist eine äußerst ehrenwerte Sache, nur ist die Spezialisierung nahezu ausschließlich auf diese Personen nicht allzu sinnvoll. Nebenbei: Eugen Freund spazierte unter der Woche vormittags durchs Donauzentrum und verteilte rote Nelken. Wer zu dieser Zeit im Donauzentrum unterwegs ist, brauche ich jetzt wohl nicht näher beschreiben.

Abgrund Jungpolitiker

Jede Partei klagt über Nachwuchsprobleme, nur die SPÖ scheint nichts dagegen zu tun. Abgesehen von nicht gerade jugenfreundlichen Wahlkampfkampagnen bis hin zu absenten jungen Gesichtern in den ersten Reihen. Und nein, Sonja Steßl, die neue Staatssekretärin im Bundesministerium für Finanzen, zählt für mich nicht mehr zu den Parteijungen. Kennen Sie einen jungen SPÖ Zukunfts-Politiker à la Sebastian Kurz? Ich auch nicht. Im Gegensatz zur ÖVP, die mit der Bestellung Kurz‘ zum Außenminister Mut, der sich bis jetzt auszahlte, bewiesen hat, lässt die SPÖ auch hier vermuten, dass "Stillstand“ als erster Punkt im Parteiprogramm steht.

Julia Herr, die neu gewählte Vorsitzende der Sozialistischen Jugend, hat ambitionierte Ziele, setzt sich mit Engagement dafür ein und kritisiert auch schon einmal die eigenen Partei, wird aber wegen genau diesem Verhalten von Gabriele Heinisch-Hosek am Bundesparteitag von der Bühne geworfen. Zu viel Rebellion in der Stillstand erprobten SPÖ?

Abgrund Bundespräsidentschaftswahlen

2016 wählt das österreichische Volk einen neuen Bundespräsidenten. Während auf der Seite der ÖVP Erwin Pröll als aussichtsreichster Kandidat gehandelt wird, sofern es der Raifeisenlandesbank diesmal genehm ist, hat die SPÖ auch hier einen scheinbar unüberwindbaren Abgrund vor sich. Die wohl einzig denkbare Option wäre die derzeitige Nationalratspräsidenten Barbara Prammer gewesen, die aber vermutlich wegen ihrer gesundheitlichen Probleme nicht mehr infrage kommt. Sozialminister Hundstorfer wäre dann wohl die zweite logische Wahl.

Bei der Beliebtheit in der Bevölkerung bewegt er sich im Mittelfeld, und bürgernah ist er allemal. Nur dass ein roter Minister gegen einen schwarzen Diplomaten verlieren kann, das haben wir bei der BP-Wahl 1992 gesehen. Wer war schon Thomas Klestil im öffentlichen Leben vor seiner Bundespräsidentschaft? Erheblich zum Sieg im zweiten Wahlgang trug Klestils Wahlslogan „Macht braucht Kontrolle“ bei. Jetzt stelle man sich vor, ein roter Minister würde gegen den volksnahen Erwin Pröll antreten, dem im ganzen Land – auch weit über Niederösterreichs Grenzen hinaus - der Ruf des Machers und Tonangebers vorauseilt. Hier käme es wohl kaum zu einem zweiten Wahlgang.

Aber genau diesem provinziellen Kandidaten ist ein intellektueller, diplomatischer und mutiger Politiker entgegenzusetzen. Ein ebenso mutiger Schritt wäre, diesen über den eigenen Parteigrenzen zu suchen. Der langjährige Bundessprecher der Grünen und nunmehrige Gemeinderat Alexander Van der Bellen wäre genau das passende Gegengewicht. Nur müsste die SPÖ dafür über ihren Schatten springen und sich mit den Grünen auf das ehemalige SPÖ-Mitglied zum gemeinsamen Kandidaten einigen.

Meines Erachtens ist dies die einzig reelle Chance, zumindest in den zweiten Wahlgang gegen Pröll zu kommen. Jede andere Variante wäre wohl eine unnötig Verheizung einer Person, die in einem anderen Bereich sinnvoller aufgehoben wäre.

Da drängt sich die Frage auf, ob Werner Faymann endlich bereit ist, mutige und selbstbewusste Entscheidungen zu treffen, oder ob die SPÖ weiterhin im Stillstand verharrt und wartet, bis die vielen Abgründe zu einem großen Ganzen werden und absolut kein Ausweg mehr besteht. Dann wird es wohl wieder Zeit, sich auf Oppositionspolitik einzustellen. (Leserkommentar, Andreas Kirchner, derStandard.at, 11.7.2014)