Die Grenzen zwischen Viel-Arbeit und Arbeitssucht sind fließend.

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Wenn Feiertage anstehen, macht sich merkbar Unwohlsein breit, und überhaupt lassen Arbeitssüchtige die Gedanken an den Job auch in der Freizeit überhaupt nicht los. Arbeitssucht ist - laut wissenschaftlicher Definition (u. a. Universität Bremen, Studie "Arbeitssucht") - "eine fortschreitende pathologische Fixierung auf Arbeit bzw. das Arbeiten, zu der wesentlich Kontrollverlust und Entzugserscheinungen gehören". Laut Sozialministerium ist in Österreich jeder neunte Arbeitnehmer davon betroffen.

Früher noch als "Managerkrankheit" verschrien, seien es mittlerweile immer mehr Angestellte, Arbeiter und Selbstständige, die Gefahr laufen, arbeitssüchtig zu werden. Im Zuge eines permanenten Arbeitens verlieren sich häufig Prioritäten - für die Arbeit selbst, aber auch für das Wohlsein der Betroffenen. Die Grenze jedenfalls vom leistungsorientierten Viel-Arbeiten hin zur Arbeitssucht an sich seien laut Forschung fließend - quasi ein Prozess, der in der Regel in vier Phasen geteilt wird:

  •  In einer Anfangsphase herrscht das Gefühl der Leistungsfähigkeit vor, Tatendrang und ein Sich-beweisen-Wollen sind wichtige Treiber. Die Resultate getaner Arbeit werden als "High" erlebt. Arbeit bekommt dadurch einen immer höheren Stellenwert im Leben - häufig nach den eigenen Interessen, dem Partner oder der Familie und Freunden.
  • Der hohe Stellenwert aber bedingt, dass sich Erfolgserlebnisse nach und nach seltener einstellen - es wird "automatisch" mehr gearbeitet und nach Rechtfertigungen für den hohen Arbeitseinsatz gesucht. Ohne Arbeits- und Termindruck stellt sich Unwohlsein ein, Betroffene leiden dann an dem Gefühl, überflüssig zu sein. Und da Muße zur Belastung wird, fehlen Entspannungsphasen und auch Schlaf. Erste körperliche Beschwerden - etwa Bluthochdruck oder chronische Schmerzen - treten auf.
  • In einer dritten Phase, die als chronisch bezeichnet wird, wird zunehmend mehr Arbeit an sich gerissen, Delegieren geht dann nicht mehr - Wochenenden und Feiertage werden zu diesem Zeitpunkt meist schon durchgearbeitet. Zuätzlich entsteht eine Diskrepanz zwischen dem Berg nicht erledigter Arbeit und den immer knapper werdenden psychischen und physischen Ressourcen. Die Einnahme von Aufputschmitteln aller Art - von Koffein, Zigaretten und auch Medikamenten - wird dann schon zur Regel. Depressionen, Angstzustände treten auf - nicht zuletzt auch, weil das soziale Netzwerk - Familie, Freunde - sich entfernt.
  • Wenn der oder die Arbeitssüchtige sich in diesem kritischen Stadium befindet, in dem Konzentrationsstörungen und der Leistungsabfall schon gravierend sind, kann die Sucht vollends entgleiten. Schwere Depressionen im Zusammenhang mit Burnout werden dann häufig diagnostiziert.

Die schwersten Formen von Arbeitssucht sind letal - durch Herzversagen oder Schlaganfall. Weit verbreitet ist der japanische Begriff des "Karôshi", des Todes durch Überarbeitung. In Japan soll es mehr als 350 Behandlungszentren für Arbeitssucht geben. Und im europäischen Raum werden die Selbsthilfegruppen immer mehr. (Heidi Aichinger, DER STANDARD, 12./13.7.2014)