Würzburg - Krebserkrankungen entstehen durch Veränderungen im Erbgut, die letzten Endes ein unkontrolliertes Wachstum von Zellen auslösen. Bei einem Großteil aller Tumore des Menschen ist das MYC-Gen so verändert, dass es übermäßig aktiv ist. Als Folge davon produzieren die Tumorzellen viel zu viele Myc-Proteine. Einer Würzburger Forschungsgruppe ist es nun gelungen, entscheidende Abläufe dieser Mechanismen aufzuklären und damit potenzielle neue Therapiewege zu eröffnen.

"Wir wissen aus zahlreichen Versuchen, dass erhöhte Mengen an Myc das Zellwachstum steigern, den Stoffwechsel verändern und ganz wesentlich zur Tumorentstehung beitragen", sagt Martin Eilers, Krebsforscher am Biozentrum der Universität Würzburg.

Myc-Proteine binden sich im Zellkern ans Erbgut und sorgen dafür, dass Gene aktiviert werden. Weil sie in Tumorzellen in einer "Überdosis" vorliegen, regulieren sie dort aber ganz andere Gene als in normalen Zellen – mit fatalen Folgen. "Dieses Muster der Genaktivierung ist für einzelne Tumore sehr spezifisch. Es erlaubt sogar Aussagen darüber, wie aggressiv ein Tumor ist, und es ermöglicht Prognosen über den weiteren Verlauf der Krankheit", sagt Eilers.

Insgesamt kennt man einige hundert Gene, die in Tumorzellen von Myc-Proteinen aktiviert werden. Tatsächlich aber binden die Myc-Proteine an Zehntausende von Genen. Warum sie sich an so vielen Genen festsetzen, aber nur einige davon aktivieren und was genau den Unterschied zwischen Bindung und Aktivierung ausmacht, konnte die Wissenschaft bisher nicht beantworten.

Proteine im Doppelpack

Mehr Klarheit in dieser Frage bringen jetzt neue Forschungsergebnisse aus der Universität Würzburg, die im Magazin "Nature" veröffentlicht worden sind. Susanne Walz, Francesca Lorenzin, Elmar Wolf und Martin Eilers vom Biozentrum haben herausgefunden, dass die Myc-Proteine in Tumorzellen nicht immer alleine an die Gene binden. Meist stehen sie dabei in einer engen Verbindung mit einem Partnerprotein (Miz1). Wo Myc alleine ein Gen aktiviert, passiert bei beiden Proteinen im Doppelpack genau das Gegenteil: Die Genaktivierung wird unterdrückt.

Die Würzburger Forschungsgruppe interpretiert das als Abwehrreaktion: "Offensichtlich erkennen die Zellen, dass sie zu viel Myc herstellen, und versuchen, dem Stress, der aus diesem übermäßigen Wachstumssignal entsteht, entgegenzusteuern." Damit entstehe in Tumorzellen ein für jedes Gen leicht unterschiedliches Gleichgewicht aus Aktivierung und Unterdrückung. Daraus wiederum ergeben sich die charakteristischen Genaktivierungsmuster, die Tumorzellen von normalen Zellen unterscheiden.

Neue Ansatzpunkte für Therapien

Diese neue Erkenntnis ist laut Eilers nicht nur für die Grundlagenforschung interessant: "Wir können nun Gene identifizieren, die spezifisch nur in Tumoren, nicht aber in normalen Zellen, abgelesen werden", erklärt der Professor. Das liefere neue Angriffspunkte für die Therapie. Diese neuen Ansätze will Eilers' Team jetzt weiter verfolgen. (red, derStandard.at, 13.07.2014)