New York/Wien – Sie waren ein Beweis seines Lebendigseins: On Kawaras Datumsbilder. Am 4. Jänner 1966 hatte der 1933 geborene japanische Konzeptkünstler das erste seiner zeitlich offenen Serie Today gemalt. In weißer Acrylfarbe setzte er das aktuelle Datum, dessen Format sich nach den Konventionen des jeweiligen Entstehungsortes richtete, auf vier bis fünf monochrome Farbschichten.
Wurde er mit einem Bild an einem Tag nicht fertig, wurde es zerstört. Eine emotionslose Form von Malerei – jedoch nur so lange auch ein Bild enstand. Denn jedes fehlende Datum implizierte die Frage: Was war mit Kawara an diesem Tag?
Sein gesamtes Oeuvre widmete sich der Frage der Lebenszeit und der eigenen Vergänglichkeit. Zwischen 1970 und 1979 entstand etwa seine Serie I am still alive: So lautete die Botschaft, die er als Telegramm an Freunde und Kollegen schickte.
Die Today-Serie, die heute mehr als 2000 Bilder umfasst und die Kawara als eine "Art von Meditation" beschrieb, war zeitlich immer beschränkt: durch Kawaras Tod. Das war am 10. Juli. On Kawara starb 81-jährig in New York, wie seine Galerie David Zwirner mitteilte.
Das letzte Datumsbild haben daher nun andere für ihn gefertigt – allerdings am Computer: "July 10.2014" steht nun in weißen Lettern auf schwarzem Grund auf einigen Kunst- und Nachrichten-Plattformen.
Die Arbeiten von On Kawara werden weltweit ausgestellt, dürfen in keiner Sammlung zur Kunst der Gegenwart fehlen. Allein drei Mal – 1977, 1982 und 2002 – nahm der Konzeptkünstler an der Documenta teil, zudem 1976 an der Biennale Venedig. Für 2015 ist im New Yorker Guggenheim eine große Retrospektive On Kawaras geplant. Ihr Titel hat nun etwas Endgültiges: Silence. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 12./13.7.2014)