Julischka Stengele faltet im Kunstraum Niederösterreich den ausgeuferten Mail-Verkehr zwischen Künstlern und Institution.

Foto: Magdalena Fischer

Wien - Eine Ausstellung kann mehr sein als eine Ausstellung. Unter dem Titel Dissens : Wiederholung. Eine aufmerksame Praxis versuchen hat sich die Freie Klasse der Akademie der bildenden Künste bereits im Juni im Kunstraum Niederösterreich einquartiert und zeigt noch bis zum 26. Juli, wie eine etwas andere Schau aussehen kann.

Am Donnerstag war ein in die fixen Exponate integrierter Performanceabend (Titel: For Tonight Just Inner Space) zu erleben, an dem einige der jungen Künstlerinnen und Künstler die Aufmerksamkeit ihres Publikums auf verborgene Strukturen hinter der Umsetzung ihrer Ausstellung lenkten und so die Realität des Organisationshintergrundes sichtbar machten.

Julischka Stengele etwa saß in Closed Circuit an einem Tisch, hatte einen hohen Stapel an Computerausdrucken neben sich, die sie geduldig einzeln je zweimal faltete. Den Inhalt las sie in Ausschnitten vor.

Die Prints enthielten den E-Mail-Verkehr zwischen den Ausstellenden und der sie beherbergenden Institution. Übrig blieb ein Haufen bedruckter Blätter. Damit will Stengele darauf hinweisen, was für ein organisatorischer Aufwand nötig ist, bis eine Ausstellung zustande kommt.

Mona Hermann hat von allen Teilnehmenden an Dissens : Wiederholung Schlüsselbegriffe gesammelt und zu diesen passende Literatur in der Kunstraum-Bibliothek ausgesucht. Die bisherigen Besucher der Schau konnten Seiten aus diesen Büchern kopieren, die jetzt zu einem neuen Buch zusammengefasst sind, das in einer Performance vorgestellt wurde.

Was im ersten Eindruck nach einer recht simplen Idee klingen mag, verhandelt die doch brisante Frage, welche Rolle ein bestimmtes Bücherwissen für das Zustandekommen und für die Institutionalisierung von Kunst spielt: Schließlich ist das Buch - ob als Katalog oder als Hintergrundliteratur - seit langem ein obligater Begleiter von Ausstellungen.

Für die seit 2011 existierende Freie Klasse, deren Studierende ihren Wissenserwerb selbst gestalten und ohne "Meister"-Leitung auskommen, hat diese Frage besondere Bedeutung. Da wird bereits das Kunststudium selbst zu einer politischen Praxis, die von allen Beteiligten besondere Aufmerksamkeit verlangt.

Dementsprechend lud Sophie Utikal einzelne Besucher zum Vieraugengespräch im Konjunktiv ein: um aus der Möglichkeitsform einen Möglichkeitsraum zu erstellen. Dialog ist ein besonderes Thema, wenn sich junge Kunstschaffende über Dissens und Wiederholung zusammenraufen müssen und nicht bloß beim kleinsten gemeinsamen Nenner enden wollen.

Am 22. Juli gibt es noch ein Happening, und am 6. November wird der Katalog präsentiert. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 12./13.7.2014)