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Bessere Zeiten: Angela Merkel und Barack Obama im Juni 2013 bei einem Diner im Berliner Schloss Charlottenburg. Wenig später sollte die NSA-Affäre das Verhältnis zerrütten.

Foto: REUTERS/Michael Sohn/Pool/Files

Robert Menendez spricht von einer dunklen Wolke. Als solche hänge die Spionageaffäre über den deutsch-amerikanischen Beziehungen - ausgerechnet zu einer Zeit, da man Deutschland als europäische Führungsmacht brauche, schon wegen der Krise in der Ukraine. Falls Barack Obama überrumpelt worden sei von den eigenen Geheimdiensten, sagt der Senator, dann müsse sich etwas ändern. Der Präsident müsse lückenlos unterrichtet werden von der CIA, damit er Fall für Fall abwägen könne, was größer sei: der Nutzen der Spionage oder der politische Schaden, den das Ausschnüffeln von Verbündeten anrichte.

Menendez' Wort hat Gewicht in Washington. Der Demokrat aus New Jersey leitet den außenpolitischen Ausschuss der kleineren Parlamentskammer, und allein schon die Tatsache, dass er sich nicht hinter rhetorischen Nebelkerzen versteckt, lässt Verärgerung erkennen. Im Kongress hat sich Frust angestaut, eine gewisse Verzweiflung über Agenten, die offenbar ein Eigenleben führen und die Politik blamieren.

"Die Situation fängt an, außer Kontrolle zu geraten", warnt James Risch, ein Republikaner im Geheimdienstkomitee des Senats. Die Regierungen der USA und Deutschlands müssten sich an einen Tisch setzen "und versuchen, das zu lösen". Mark Udall, ein Demokrat, sekundiert: "Ich habe Sorge, dass wir einem unserer wichtigsten Alliierten die falsche Botschaft senden."

Vielleicht liegt es am Überraschungseffekt, dass es die Senatoren diesmal nicht bei Floskeln belassen. Dass Angela Merkel den obersten CIA-Vertreter in Berlin nach Hause schickt, wirkt wie eine kalte Dusche, mit der niemand gerechnet hat. "Ist es 1940 oder 2014?", brachte NBC-Anchorman Brian Williams die Verblüffung auf eine griffige Frage.

Parallele zu 1995 in Paris

Es ist zwar nicht das erste Mal, dass ein verbündetes Land US-Agenten ausweist. 1995 war es Frankreich, das den Pariser Residenten der CIA zur Persona non grata erklärte: Dick Holm flog auf bei dem Versuch, Vertrauliches über die Haltung Frankreichs zu internationalen Handelsgesprächen in Erfahrung zu bringen. Mit Holm, so erzählt es der Pulitzerpreisträger Tim Weiner in Legacy of Ashes, einem Buch über die CIA, mussten drei gedemütigte Spione das Land verlassen. Im Falle Frankreichs entsprach es eher dem zu erwartenden Verhaltensmuster. Aber Deutschland? Merkels Schritt sei schon deshalb bedeutsamer, schreibt die New York Times, weil die US-Dienste mit ihren deutschen Partnern traditionell eng kooperieren.

Es gibt aber auch Stimmen, die den Trubel für nichts als Show halten. Etwa Mark Lowenthal, bis 2005 Vizedirektor des National Intelligence Council, das den Geheimdienstkoordinator in Washington berät. "Angela Merkel ist ein wenig unehrlich. Staaten spionieren einander nun mal aus, Verbündete eingeschlossen", kritisiert er im TV-Magazin Newshour. Im Übrigen gebe es Momente, da wisse man nicht, ob sich Deutschland wirklich wie ein Alliierter verhalte, fügte Lowenthal hinzu und erinnerte an das Frühjahr 2011, als es im UN-Sicherheitsrat um Luftschläge gegen Libyen ging, Berlin sich der Stimme enthielt und sich damit gegen Amerikaner, Briten und Franzosen stellte.

Das Weiße Haus wiederum stapelt tief; es ist derselbe Reflex wie vor gut einem Jahr, als Edward Snowden aus dem Nähkästchen der NSA zu plaudern begann und Obama ihn in abfälligem Ton als kleinen Hacker charakterisierte.

Der Präsident tourt durch Texas, wo er Spenden sammelt und Gespräche über das Dilemma illegal aus Mittelamerika eingewanderter Kinder führt. Die Innenpolitik hat Vorrang, signalisiert er, während sich sein neuer Sprecher in übliche Sprechblasen rettet. Jeglicher Kommentar zu Geheimdienstaktivitäten, so Josh Earnest, würde Personen ebenso wie die Sicherheit der USA gefährden: "Daher bin ich nicht in der Lage, einen Kommentar abzugeben."  (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, 12.7.2014)