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Der mutmaßliche US-Spion beim BND soll Medienberichten zufolge Befehle aus Wien bekommen haben.

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Die US-Botschaft in Wien soll die Schaltzentrale gewesen sein - CIA-Agenten aus der Botschaft sollen den BND-Mitarbeiter seit 2012 mehrmals in Salzburg getroffen haben.

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Der Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums soll nur eine Freundschaft gepflegt haben.

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Berlin/Wien - Die Affäre um US-Spione in Deutschland hat offenbar weitaus größere Dimensionen als bisher angenommen. Die Zeitung "Bild am Sonntag" berichtet unter Berufung auf US-Geheimdienstkreise, die CIA führe mehr als ein Dutzend Regierungsmitarbeiter in Deutschland als Quellen. Ein mutmaßlicher US-Spion beim deutschen Bundesnachrichtendienst wurde laut "Spiegel" von der US-Botschaft in Wien aus gesteuert.

Wie das Hamburger Nachrichtenmagazin am Samstag im Voraus aus seiner neuen Ausgabe berichtete, traf sich der 31-jährige BND-Mitarbeiter seit 2012 mehrmals mit CIA-Agenten aus Wien. Bei den konspirativen Treffen in Salzburg hätten die Agenten von ihm geheime Dokumente erhalten und dafür Geld gezahlt. Laut "Spiegel" bedeutete es für die CIA "ein geringeres Entdeckungsrisiko, die sensible Quelle aus dem nahe gelegen Ausland zu führen".

Kein diplomatischer Schutz

Die Nachforschungen der deutschen Bundesanwaltschaft könnten den CIA-Agenten aus Österreich dem Bericht zufolge nun allerdings Probleme bereiten: Sollte es den Ermittlern gelingen, die Führungsoffiziere des mutmaßlichen BND-Spions zu identifizieren, würden sie im Falle eines Strafverfahrens in Deutschland nach "Spiegel"-Angaben keinen diplomatischen Schutz genießen.

Nach "Spiegel"-Informationen lieferte der 31-jährige BND-Mitarbeiter den Ermittlern bei seinem umfangreichen Geständnis Beschreibungen von zwei mutmaßlichen CIA-Agenten, mit denen er Kontakt hatte. Die deutschen Fahnder versuchen nun, die beiden anhand dieser Informationen zu identifizieren. Das österreichische Außenministerium erklärte gegenüber der APA am Samstag, man werde dem "Spiegel"-Bericht nachgehen. Weitere Angaben wurden nicht gemacht.

Mehrere Ministerien

Am heutigen Sonntag wollen sich US-Außenminister John Kerry und sein deutscher Amtskollege Frank-Walter Steinmeier am Rande der Gespräche über das iranische Atomprogramm in Wien über die Spionageaffäre austauschen. Steinmeier hat im Vorfeld in der "Welt am Sonntag" einen Neustart in den transatlantischen Beziehungen gefordert: "Ohne Vertrauen und gegenseitigen Respekt geht es nicht", sagte er. Beides lasse sich leicht verspielen und nur langsam wiedergewinnen.

Auch der designierte Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, warnte: "Dieser Vorgang kann zu einer richtigen Vertrauenskrise führen - nicht nur zu einer transatlantischen Vertrauenskrise, sondern auch zu einer Vertrauenskrise unserer Bürger gegenüber dem Staat", sagte Juncker der "Bild am Sonntag".

"Bild am Sonntag" berichtete, im Visier des amerikanischen Auslandsnachrichtendienstes stünden das Verteidigungs-, das Wirtschafts-, das Innen- und das Entwicklungshilfeministerium. Letzteres sei für die CIA von Interesse, weil über dieses Ressort verdeckte BND-Operationen im Ausland liefen.

Mehrere Politiker betroffen

"Der Spiegel" berichtete zudem von weiteren Fällen mysteriöser Handy-Ausspähungen in Deutschland. Betroffen war demnach auch der Ex-Bundestagsabgeordnete Steffen Bockhahn (Linke), der in der vergangenen Legislaturperiode für die Kontrolle der Geheimdienste zuständig war. Auch der Obmann der CDU/CSU im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags, Roderich Kiesewetter, teilte dem Bericht zufolge mit, eine technische Überprüfung seines Handys habe ergeben, dass unbekannte Dritte darauf Zugriff hätten.

Der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg (CDU) sagte dem "Spiegel", nach den jüngsten Spionagefällen fürchte er einen "Dominoeffekt": "Ich bin mir sicher, dass in den nächsten Wochen und Monaten noch mehr rauskommen wird und dass dabei nicht nur Amerika im Fokus stehen wird."

Intern statt öffentlich

Die deutsche Regierung will laut "Spiegel" in allen Bundesministerien nach Schwachstellen der Kommunikationstechnik sowie nach Spuren amerikanischer Spionagetätigkeit suchen lassen. Konkret steht bisher neben dem BND-Mann auch ein Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums im Verdacht, für die USA spioniert zu haben.

Zweiterer soll die Vorwürfe bestritten haben. Nach Bekanntwerden der Fälle forderte die deutsche Regierung am Donnerstag den obersten Vertreter der US-Geheimdienste in Berlin auf, das Land zu verlassen. Die US-Regierung reagierte verstimmt auf die öffentliche Ausreiseaufforderung.

In den Vereinigten Staaten stößt die öffentliche Aufregung in Deutschland auf Unverständnis. Das Thema solle nicht auf dem offenen Markt, sondern intern zur Sprache gebracht werden, forderte der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest. "Alle Differenzen, die wir haben, sind am effektivsten über bestehende interne Kanäle zu lösen, nicht über die Medien."

TTIP soll weitergehen

Nach Ansicht von Kanzlerin Angela Merkel belasten die jüngsten Geheimdienst-Enthüllungen das Vertrauensverhältnis zu den USA. Die "sehr enge" geheimdienstliche Zusammenarbeit Deutschlands mit den USA sei wichtig, sagte Merkel am Samstag bei der Aufzeichnung des ZDF-"Sommerinterviews". Aber die Welt befinde sich nicht mehr im Kalten Krieg, "wo jeder jedem wahrscheinlich misstraut hat". Es sei für sie aber "keine Vertrauensbasis", wenn sie sich immer fragen müsse, "ob derjenige, dem ich gegenübersitze, vielleicht noch gleichzeitig auch für den anderen arbeitet".

Zu Forderungen, die Verhandlungen zwischen der EU und den USA über das geplante Freihandelsabkommen TTIP auszusetzen oder sogar abzubrechen, sagte die Kanzlerin jedoch: "Davon halte ich gar nichts." (APA, 13.7.2014)