Wirtschaftsmotor Brics-Staaten

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Russland Präsident Wladimir Putin mit Berater und Außenminister Sergei Lawrow beim BRICS-Treffen im Jahr 2013.

Foto: Reuters/Ria Novosti

Es gab zuletzt nicht viele Gelegenheiten für Russlands Präsidenten Wladimir Putin, sich staatsmännisch auf internationaler Bühne zu präsentieren. Im Westen ist er wegen seiner Ukraine-Politik isoliert. Aus der G-8-Gruppe wurde er verbannt, der geplante Gipfel in Sotschi wurde abgesagt. Nur in Lateinamerika ist er noch ein gerngesehener Gast. Das Treffen der Brics, der fünf größten Schwellenländer (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) am Dienstag und Mittwoch im brasilianischen Fortaleza, muss Putin deshalb fast wie ein Heimspiel vorkommen. Denn Kritik hat er dort nicht zu erwarten.

Schwellenländer lehnen Sanktionen ab

Zwar werde auch am Rande über die Ukraine-Krise beraten, hieß es aus Verhandlungskreisen, aber die Positionen sind längst klar: Die Schwellenländer lehnen die von der EU und den USA verhängten Sanktionen gegen Russland ab und haben dies auch in einer gemeinsamen Erklärung festgehalten. Brasilien hat dabei eine führende Rolle gespielt. Doch auch für die Gastgeberin, Präsidentin Dilma Rousseff, bietet das Treffen die Möglichkeit, sich als Vermittlerin zu präsentieren. Außenpolitisch konnte Rousseff bislang wenig Akzente setzen.

Das einmal jährlich stattfindende Treffen hat dennoch mehr als nur rituellen Charakter. Nach ihrem lockeren Zusammenschluss 2009 wollen die Brics jetzt eigene Institutionen schaffen, die für eine Neuordnung der internationalen Finanzarchitektur sorgen könnten. Geplant ist die Gründung einer Brics-Entwicklungsbank und eines Währungsfonds.

Schon 2013, im südafrikanischen Durban, hatte man sich auf die Schaffung einer eigenen Entwicklungsbank verständigt, konnte sich aber nicht über die Konditionen einigen. Jetzt soll sie mit 50 Milliarden US-Dollar (37 Milliarden Euro) ausgestattet werden; jedes Mitglied soll zehn Milliarden Dollar besteuern. Das Eigenkapital soll später auf 200 Milliarden Dollar aufgestockt werden. In den Währungsfonds sollen 100 Milliarden Dollar fließen.

Dollar- und Europolitik: Abkoppelung

"Solch eine Entwicklungsbank ist sinnvoll, denn fehlende Infrastruktur ist ein entscheidendes Wachstumshindernis für die Schwellenländer", sagt der Wirtschaftswissenschaftler Antonio Carlos Alves dos Santos von der Katholischen Universität (PUC) in São Paulo. Außerdem werde dadurch die Abhängigkeit von Euro und US-Dollar verringert.

Aber auch ihren Kritikern, die das Konzept der Brics schon lange für tot erklärt haben, nehmen die Schwellenländer so den Wind aus den Segeln. Einmal mehr beweisen sie trotz ihrer Heterogenität Handlungsvermögen. Die Brics führten nach wie vor das Wachstum der Weltwirtschaft an, wenn auch in verringerter Form, betont Alves dos Santos.

Ihre wirtschaftliche Kraft und der daraus abgeleitete politische Gestaltungsspielraum schweißt die Partner zusammen. Dennoch seien sie sich ihrer Unterschiedlichkeit bewusst und hätten nicht die Absicht, eine politische Organisation zu werden, sagte Alves dos Santos. Indien, Brasilien und Südafrika gelten als Demokratien. In China und Russland kommt es regelmäßig zu schweren Menschenrechtsverletzungen.

In der Außenpolitik sind aus Fortaleza deshalb auch keine wegweisenden Appelle zu erwarten. Regionale Kooperationen stehen für die Länder ohnehin im Vordergrund.

Stille Staatschefin Rousseff

Besonders für Rousseff hat das Prinzip der Nichteinmischung oberste Priorität. Die "Stille der Präsidentin" hinsichtlich internationaler Fragen wird allerdings von brasilianischen Diplomaten mit zunehmender Besorgnis beobachtet: Rousseff erkenne nicht die Bedeutung von Außenpolitik und vergebe viele Chancen. Dabei verweisen sie gern auf den von Rousseff nach der NSA-Affäre abgesagten Besuch in Washington bei US-Präsident Barack Obama im September 2013. Das positive Echo darauf hat selbst Brasília überrascht. In den internationalen Medien wurde das Selbstbewusstsein der Staatschefin gegenüber der Allmacht der USA gefeiert.

Mit besonderer Spannung wird in Fortaleza der erste Besuch von Chinas Staatspräsidenten Xi Jinping in der Region erwartet. China will seine Kooperation mit den Ländern Lateinamerikas ausbauen und dort zum größten Investor aufsteigen. In Brasilien löste China 2012 die USA bereits als wichtigster Handelspartner ab.

Die Brics-Staaten umfassen rund 40 Prozent der Weltbevölkerung und erwirtschaften zusammen etwa ein Viertel des weltweiten Bruttoinlandsproduktes. (Susann Kreutzmann aus São Paulo, DER STANDARD, 14.7.2014)