Neos-Chef Matthias Strolz spricht eine Sehnsucht der Österreicher an: Wär's nicht fein, wenn wir einen Bundeskanzler hätten, bei dem man weiß, woran man ist? Der umsetzen kann, was er versprochen hat? Der so ist, wie man es vor Zeiten gewohnt war; damals, in den Kreisky-Jahren? In einer Reihe von Umfragen hat sich gezeigt, dass die Österreicher einen "starken Mann" wünschen - das heißt keineswegs, dass das ein Diktator sein sollte. Der Sozialist Bruno Kreisky war keiner, sein ebenso mit absoluter Mehrheit regierender Vorgänger Josef Klaus von der ÖVP ebenso wenig. Aber vor 1966 und nach 1983 war's mühsam. "Sehr kompliziert", wie es Kreisky-Nachfolger Fred Sinowatz (der mit einer schwachen FPÖ und Querschüssen des Kärntners Jörg Haider regierte) richtigerweise formuliert hat. Sinowatz war konsequent - im Wissen um seine beschränkte Macht ist er zurückgetreten.
Seine Nachfolger hatten es nicht leichter. Sie alle mussten mit Koalitionspartnern auskommen, die sie im Grunde nicht gemocht haben. Mehr noch: die grundsätzlich andere Ziele verfolgt haben - und Wahlversprechen zu halten hatten, die denen des jeweiligen Kanzlers widersprachen.
Das erklärt die Verwirrung, die die aktuelle Market-Umfrage für den Standard dokumentiert: Nicht viel mehr als die Hälfte der Befragten konnten korrekt angeben, welche Parteien Österreich regieren. Viele meinten, dass irgendwo "da oben" eh alle mitregieren, sobald sie nur im Parlament sitzen. Umgekehrt weiß man, dass nicht viel weitergeht, weil einer den anderen blockiert.
Fragt sich, wer da den starken Mann geben soll - und mit welcher demokratischen Legitimation. Von der Verfassung vorgesehen wäre eine starke Rolle des Bundespräsidenten - formal ist es ja seine Regierung und nicht die des Parlaments. Aber österreichische Bundespräsidenten haben (anders als etwa ihre französischen Kollegen, deren verfassungsmäßige Rechte kaum größer sind) das politische Tagesgeschäft traditionell den Parteien überlassen. Je mehr Parteien es aber ins Parlament geschafft haben, desto weniger können die Parteien eindeutig als Träger des Volkswillens identifiziert werden. Will man mehr Eindeutigkeit, muss man eine Fraktion und deren Kanzlerkandidat überproportional stärken. Was mit einem mehrheitsfördernden Wahlrecht durchaus möglich wäre. Im Sinne der demokratischen Hygiene müsste aber im Gegenzug die Abwahl des Kanzlers und seiner Partei erleichtert werden. (Conrad Seidl, DER STANDARD, 14.7.2014)