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Lorin Maazel ist am Sonntag gestorben.

Foto: APA/Punz

Wien - Eine Lungenentzündung soll seine Teilnahme an einem Geigenwettbewerb verhindert haben, nach dem Zweiten Weltkrieg, als er als Zweiter Geiger im Pittsburgh Symphony Orchestra engagiert war, und so seine neuerliche Hinwendung zum Dirigieren befördert haben; an den Folgen einer Lungenentzündung ist Lorin Maazel am Sonntag in den USA verstorben.

In der vergangenen Saison ist er noch mehrmals in Wien präsent gewesen, im Großen Saal des Wiener Musikvereins: Man sah einen freundlich lächelnden älteren Herren, den schon der Gang zum Dirigentenpult eine Strapaze war und sichtlich Mühe kostete.

Lorin Maazel leitete die Wiener Philharmoniker im letzten September auf einer langen Europa-Tournee, im Musikverein war er mit Bruckners Achter zu erleben: laut und behäbig präsentiert, wie ein Transatlantikdampfer auf schwerer See; ein Bruckner, der wichtigtuerisch die Backen aufblies und nur schwer vom Fleck kam. Maazels einst viel gepriesene Zeichengebung beschränkte sich auf ein Minimum, die Aufmerksamkeit der Orchestermusiker ebenfalls. Das Versiegen seiner Kräfte war nicht zu übersehen.

Abschied von den Münchnern

Ende Februar dieses Jahres war der 1930 in Neuilly-sur-Seine geborene und in Los Angeles aufgewachsene Musiker dann ein letztes Mal mit jenem Orchester zu erleben, dem er ab 2012 als Chefdirigent vorstand: den Münchner Philharmonikern. Speziell in einer Ballettmusik von Manuel de Falla war Maazel ließ noch einmal jene Qualitäten aufblitzen, deretwegen man ihn im Laufe seiner Karriere auf der ganzen Welt geschätzt hatte: seine tänzerische Eleganz, seine Feinfühligkeit, seine Verve, seine Präzision.

2010 war Maazel eher überraschend zum Chef des Münchner Spitzenorchesters berufen worden, nachdem Christian Thielemann wegen Differenzen vorzeitig von München nach Dresden entflohen war; im Juni dieses Jahres trat Lorin Maazel von seinem Amt als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker aus gesundheitlichen Gründen zurück. Vor zweieinhalb Wochen hat der US-Amerikaner noch das von ihm vor fünf Jahren gegründete Castleton Festival in Virginia in den USA eröffnet. Nun meldete die Homepage des Festivals, dass Lorin Maazel am Sonntag zuhause an den Folgen einer Lungenentzündung verstorben ist.

In den 84 Jahren seines Lebens hat Maazel große künstlerische Erfolge gefeiert: Vom dirigierenden Wunderkind, welches schon mit neun Jahren öffentlich ein Orchester geleitet hatte und mit elf von Arturo Toscanini eingeladen worden war, das NBC Symphony Orchestra zu dirigieren, stieg er nach einem kurzen Intermezzo als Geiger zum weltweit gefeierten Orchesterleiter auf. Seine Stationen als Chefdirigent reichen vom Radio-Symphonie-Orchester Berlin (ab 1964) über das New Philharmonia Orchestra in London bis zum Cleveland Orchestra (1972-1982), dessen Musiker nach George Szells Tod zuerst gegen das Engagement von Maazel als Chef votierten.

Für ein kolportiertes Rekordgehalt von 3,8 Millionen Dollar jährlich leitete Maazel das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (1993-2002), für eine halbe Million weniger dann bis 2009 die New Yorker Philharmoniker. Maazel soll im Laufe seiner Karriere mit 200 verschiedenen Orchestern an die 7000 Aufführungen bestritten haben.

Parallel zu seiner Konzerttätigkeit dirigierte Maazel auch Oper. 1960 debütierte er 30-jährig und als erster Amerikaner in Bayreuth, von 1965 bis 1971 war Maazel Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Berlin und von 1982 bis 1984 auch Direktor der Wiener Staatsoper. Seinen selbstbewussten Worten zum Amtsantritt, das Haus wieder in der Art und Weise seiner Vorgänger Gustav Mahler und Richard Strauss zu führen, folgte das Bemühen, dort ein Stagione-System zu etablieren und Opern en bloc zu spielen. Dies stieß auf Kritik und Widerstand, was Maazel dazu bewog, die Leitung des Hauses in der Mitte seiner Amtsperiode abrupt abzugeben. Die Wiener Staatsoper ist nach seinem Ausscheiden bis zum heutigen Tag beim Repertoiresystem geblieben.

Mit den Wiener Philharmonikern arbeitete Lorin Maazel intensiv zusammen, einer breiteren Öffentlichkeit werden seine Auftritte als Dirigent des Neujahrskonzerts in Erinnerung bleiben, das er ab 1980 so oft wie seitdem kein anderer leitete. Sein Gespür für die entspannte Leichtigkeit, die schwebende Eleganz in den Walzern der Strauß-Dynastie faszinierte ein Publikum auf der ganzen Welt.

Für seine künstlerischen Erfolge wurde Maazel 2003 mit dem Großen Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnet, zehn Jahre später söhnte sich auch die Wiener Staatsoper mit ihrem ehemaligen Direktor aus und enthüllte in seinem Beisein eine Maazel-Büste. Neben seiner Tätigkeit als Dirigent komponierte Maazel auch, nach etlichen symphonischen Werken hatte 2005 seine Oper 1984 nach dem gleichnamigen Roman von George Orwell in London am Covent Garden Premiere.

Lorin Maazel hinterlässt sieben Kinder, drei davon aus seiner dritten und letzten Ehe mit der Schauspielerin Dietlinde Turban Maazel, sowie vier Enkelkinder. (Stefan Ender, DER STANDARD, 14.7.2014)