
Sabine Lengyel-Sigl.
Arbeiten Sie gerne? Leisten Sie genug? Und haben Sie das Gefühl, dass für Ihre Firma beides gleich wichtig ist? 1,5 Millionen Menschen in Österreich arbeiten am Rand der emotionalen Erschöpfung, 500.000 haben die Grenze schon überschritten und leiden unter Burnout. Sie können nicht mehr gerne arbeiten, sind nicht mehr ausreichend leistungsfähig und innovativ. Nachgewiesen ist, dass uns schlecht gestaltete Arbeit und hohe Anforderungen bei fehlenden Ressourcen krankmachen.
Arbeitspsychologen hören und sehen die Auswirkungen von Zeitdruck, Gratifikationskrisen, Selbstwertkrisen und fehlenden Ressourcen täglich. Das Arbeitsmittel Psyche wird überstrapaziert. Von Wertschätzung, Kooperation und Empathie ist selten die Rede.
Wer will schon Kuschelchef sein?
In Zeiten von Auslastung bis zum Maximum, von Mensch und Maschine, werden Werte als Luxus eingestuft und klassische Managementschrauben gedreht. Eine werteorientierte Unternehmenskultur wird schnell mit "Wohlfühloase ohne Leistungsanspruch" assoziiert. Wer möchte schon als Kuschelchef gelten? Ein sorgender und liebender Mensch kann man privat sein ...
Vor längerer Zeit haben Studien bereits gezeigt, dass eine Organisationskultur, in der konstruktive Werte eine entscheidende Rolle spielen, sich positiv auf das Ergebnis auswirken. Über elf Jahre hinweg wurden mehr als 200 Unternehmen analysiert: Firmen mit konstruktiven Kulturen hatten ein viermal so hohes Umsatzwachstum, ein siebenmal so hohes Belegschaftswachstum, einen zwölfmal so hoch ansteigenden Aktienkurs und einen 756-mal (!) so hohen Zuwachs beim Jahresreingewinn.
Drei Ebenen der Kultur
Die Organisationskultur besteht aus drei Ebenen: Erstens aus dem, was Sie sehen, hören, riechen und spüren. Zweitens aus dem, wie sich ein Unternehmen selbst darstellt und sein möchte. Und drittens aus akzeptierten Normen, Einstellungen und Werten. Und eben hier finden sich die Auslöser für das Verhalten der Beschäftigten, denn hier finden Sie die Antworten auf die entscheidende Frage, warum etwas gemacht wird - oder eben nicht.
Wie konstruktiv die Kultur also ist, erkennen Sie daran, ob Sie in der Früh leicht und motiviert aufstehen, wissen, warum Sie arbeiten und dies gerne tun. Ist es einfach, eine Kultur zu verändern? Wenn Sie ein Kind haben und dieses eindeutig lieben, so ist oder war es doch eine harte und oft mühsame Aufgabe, es zu erziehen. Einen langen Atem und Emotion brauchen auch Kulturveränderungen. Und sie beginnen mit der einfachen Frage nach dem Warum. Es lohnt sich, diese Frage zu stellen und Antworten darauf zu suchen. (Sabine Lengyel-Sigl, DER STANDARD, 12.7.2014)