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Auch wenn Samsung noch immer eine dominante Marktposition im Android-Umfeld einnimmt - die aktuelle Gewinnentwicklung zeigt stark nach unten.

Foto: Richard Drew / AP

Seit Jahren dominiert ein Hardwarehersteller die Android-Welt: Samsung liefert die Mehrzahl jener Smartphones und Tablets aus, die mit Googles mobilem Betriebssystem laufen. Eine Dominanz, die Google selbst zwischenzeitlich Kopfzerbrechen bereitet haben soll, immerhin wünscht man sich nicht zuletzt aus Eigeninteresse ein heterogenes Feld an Hardwareherstellern.

Gewinnwarnung

Vor wenigen Tagen folgte dann eine Ankündigung, die offenbar auch für viele Marktbeobachter überraschend kam. In einer kurzen Mitteilung warnte das Unternehmen vor einem signifikanten Gewinneinbruch - minus 25 Prozent im Jahresvergleich. Bei den Angaben zu den Ursachen für diese Trendwende blieb das Unternehmen hingegen recht vage, und verwies auf eine allgemeine Verlangsamung des Wachstums im Smartphone-Markt sowie unter den Erwartungen bleibende Absätze in China. Aus Insiderkreisen war zudem schon die letzten Wochen zu hören, dass sich das Galaxy S5 deutlich langsamer verkaufen soll als sein Vorgänger, das Galaxy S4.

Kein Überraschung

Wirklich überraschend kommen die aktuellen Nachrichten bei näherer Betrachtung allerdings nicht. Beruhen sie doch auf einer Reihe von aktuellen Marktentwicklungen sowie strukturellen Problemen, denen Samsung bisher wenig entgegenzusetzen hat.

Der Low-End-Aufstieg

Da wäre zunächst der Umstand, dass der Trend im Android-Markt zu immer kostengünstigeren Geräten geht. Und dies aus durchaus nachvollziehbaren Gründen: Mussten die Konsumenten früher bei Low-End- oder Mittelklasse-Smartphones auch mit einer deutlich schlechteren Nutzungserfahrung rechnen, ist dieser Abstand mit Geräten wie Motorolas Moto G erheblich geschrumpft. In Folge sinkt auch die Motivation sich ein in der Premiumpreisklasse angesiedeltes Gerät wie das Galaxy S5 oder ein Galaxy Note 3 zu kaufen. Genau mit diesen beiden Produktkategorien generiert Samsung aber dank der sehr hohen Margen einen bedeutenden Teil seiner Einnahmen.

Abkühlung

Dazu kommt, dass die Zeit der rasanten Hardwareinnovationen im Smartphonebereich vorbei ist. Brachte früher jede neue Gerätegeneration signifikante Verbesserungen, haben vor allem Bildschirm und Prozessor mittlerweile ein gewisses Grundniveau erreicht, durch das die merklichen Unterschiede zum Vorgänger immer geringer ausfallen. Dadurch verlängern sich die Behaltezyklen, Samsung - und natürlich auch dem Rest der Branche - fällt es zunehmend schwerer, zu erklären, warum man gleich wieder zum Nachfolger greifen sollte.

Agile Konkurrenz

Ein entscheidender Faktor für den aktuell enttäuschenden Ausblick von Samsung bildet aber natürlich tatsächlich die Situation in China. Samsung hat hier ein echtes Problem mit ansässigen Unternehmen wie Lenovo oder auch dem aufstrebenden Xiaomi mitzuhalten. Gerade Letzteres zeigt mit seiner viralen Strategie, dass die Brute-Force-Marketingstrategie von Samsung nicht immer zum Durchbruch verhilft.

Phablets

Dazu kommt, dass Samsung lange davon profitiert hat, mit dem Galaxy Note eine Art Pionier bei besonders großen Smartphones / Phablets zu sein. Mittlerweile haben auch praktisch alle anderen Hersteller entsprechende Geräte im Angebot - und in Kürze kommt Apple in diesen Reigen hinzu.

Lock-In, misslungen

All dem bislang Gesagten ist noch ein Problem hinzuzufügen, das strukturell vielleicht sogar am stärksten wiegt: Samsung ist es trotz der jahrelangen Marktdominanz nicht gelungen, die Konsumenten an das eigene Ökosystem zu binden. Samsung-Apps und -Services werden kaum genutzt, die Versuche App-Entwickler zur Unterstützung von Samsung-spezifischen Funktionen zu bringen, tröpfeln so vor sich hin. Und auch die Bestrebungen, den ersehnten Lock-In über Dritthardware wie Smartwatches oder Fitnessarmbänder zu erreichen, scheinen derzeit wenig aussichtsreich. Immer haben sich die Konsumenten bisher immer für die herstellerunabhängigen Lösungen von Google entschieden, diese könnte sich nun mit Android Wear und Google Fit einmal mehr wiederholen. In Summe stellt es für die Konsumenten also keine große Hürde dar, auf Android-Geräte der Konkurrenz zu wechseln, und Samsung bleibt trotz starken Verkäufen nur ein Hardwarehersteller unter vielen.

Abwägung der Optionen

Bleibt die Frage, welche Optionen Samsung in der aktuellen Situation hat. Da wäre zunächst die Möglichkeit, sich von Google zu trennen, und entweder mit einer eigenen Android-Abspaltung oder auch der Eigenentwicklung Tizen eine unabhängige Plattform zu schaffen. Doch auch wenn ein solcher Schritt die Fantasie vieler Beobachter anzufeuern scheint, dürfte dies eine wenig erfolgsversprechende Variante sein.

Die Stärke von Google

So hat Google gerade in den letzten Monaten seine eigene Position im Android-Markt erheblich gestärkt. Eine eigene Android-Abspaltung müsste nicht nur ohne all die - viel genutzten - Google-Apps auskommen, durch das Wegbleiben der Google Play Services würden auch viele Dritt-Apps nicht mehr funktionieren, etwa wenn sie Googles Kartenservice oder aktuelle Location-Funktionen nutzen. Klar könnte Samsung hier Alternativen für fehlende Programmierschnittstellen anbieten - wie es etwa Amazon tut. Und doch würde man so nie an die Vielfalt des offiziellen Play Stores heranreichen können. Dies mag für den Low-End-Bereich ein tragbares Defizit sein, für Premiumgeräte aber sicher nicht.

Tizen?

Bliebe gleich der komplette Wechsel zu einem anderen Betriebssystem wie Tizen. Ohne eine fixe Bindung der Kunden an das eigene Hardware- und Softwareökosystem birgt so ein Schritt aber das Risiko, dass bisherige Samsung-Käufer schlicht zu anderen Android-Herstellern abwandern. An sich haben die letzten Jahre gezeigt, wie schwer es ist. gegen Google und Android zu bestehen. Selbst Microsoft kommt mit seinem Windows Phone nur begrenzt vom Fleck - und Samsung hätte wohl kaum bessere Voraussetzungen.

High-End-Option

Eine weitere Option für Samsung wäre der offensive Gang in den High-End-Markt. Immerhin darf bei all den Verschiebungen in Richtung Low-End-Smartphones nicht vergessen werden, dass es immer einen - sehr lukrativen - Platz für ein Premiumsegment geben wird. Samsungs Problem: Diese Nische wird bereits sehr gut von Apple abgedeckt. Zudem ist es dem südkoreanischen Hersteller bislang nicht gerade gelungen, einen Ruf für Premiumqualität zu erarbeiten.

Und doch...

Trotzdem scheint dies noch eine der realistischeren Varianten zu sein, die zumindest einen Teil einer angepassten Samsung-Strategie darstellen könnte. Immerhin gehört es zu den Stärken des Konzerns, dass man - im Gegensatz zum Mitbewerb - die Hardwareproduktion zu weiten Teilen selbst in der Hand hält, also vom Prozessor bis zum Bildschirm praktisch alles selbst entwickelt. Sich hartnäckig haltende Gerüchte über eine Premiumvariante des Galaxy S5 weisen auch bereits darauf hin, dass Samsung tatsächlich in diese Richtung gehen könnte.

Preisfrage

Hilft all dies nichts, wird Samsung hingegen mittelfristig zu einer Maßnahme greifen müssen, die man eigentlich mit allen Mitteln verhindern möchte: Mit den Preisen für die eigenen Topgeräte herunterzugehen. Damit würde man zwar die Margen - und den Gewinn - weiter reduzieren, trotzdem ist dies wohl für das Unternehmen die bessere Variante, als zuzusehen, während der Marktanteil in Richtung Konkurrenz bröckelt. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 20.7.2014)