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Bildungs- und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek darf sich über einen ganz besonderen Brief freuen. Unterzeichnet nicht nur von Männern, auch Damen setzten ihre Unterschrift darunter.

Foto: APA/Techt

Wien - In einem "Offenen Brief" an Bildungs- und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) und Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) haben am Montag Universitätsprofessoren, Lehrer sowie Journalisten und andere Sprachkritiker eine "Rückkehr zur sprachlichen Normalität" gefordert. Die Minister sollen, so die Forderung, "dem Wildwuchs durch das sprachliche 'Gendern'" Einhalt gebieten.

Das Schreiben wurde bisher von knapp 800 Personen unterzeichnet. Darunter sind u.a. die Philosophen Konrad Paul Liessmann und Peter Kampits, Mathematiker Rudolf Taschner, Verfassungsrechtler Heinz Mayer, Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder, der deutsche Journalist und Sprachpfleger Bastian Sick und Schauspielerin Chris Lohner. Insgesamt ist laut Aussendung mehr als die Hälfte der Unterzeichner weiblich, außerdem sind rund 300 Schulleiter bzw. Lehrer dabei.

Gegen Dominanz "kämpferisches Sprachfeministinnen"

"Ein minimaler Prozentsatz kämpferischer Sprachfeministinnen darf nicht länger der nahezu 90-prozentigen Mehrheit der Staatsbürger ihren Willen aufzwingen", sehen die Unterzeichner einen Widerspruch zur Demokratie. "Was die Mehrheit der Sprachteilhaber als richtig empfindet, wird als Regelfall angesehen. Wo immer im Laufe der Geschichte versucht wurde, in diesen Prozess regulierend einzugreifen, hatten wir es mit diktatorischen Regimen zu tun."

Die Briefschreiber verwehren sich gegen eine "von oben her verordnete konsequente getrenntgeschlechtliche Formulierung" in Gesetzen, Behördentexten, aber auch Schulbüchern und universitären Facharbeiten. Geschlechtersensible Sprache (mit Binnen-I, Anführung beider Geschlechter mit Schrägstrichen im Wortinneren etc.) stoße nicht nur auf sehr geringe Akzeptanz, sie "zerstört die gewachsene Struktur der deutschen Sprache bis hin zur Unlesbarkeit und Unverständlichkeit" und widerspreche "zum Teil den Grundregeln unserer Sprache". Diese Maßnahmen "sind daher wieder aus dem Sprachgebrauch zu eliminieren".

ÖNORM-Entwurf

Als Lösung sehen die Autoren des Briefes den umstrittenen ÖNORM-Entwurf zu geschlechtergerechter Sprache, der u.a. vorschlägt "beide Geschlechter getrennt und vollständig anzuführen". Damit würden feministische Anliegen maximal berücksichtigt und eine "Rückkehr zur sprachlichen Normalität" ermöglicht. Schließlich sei die Sprache einzig und allein der problemlosen Verständigung und nicht der Durchsetzung partikularer Interessen. Es müsse gewährleistet sein, dass "die Verständlichkeit von Texten wieder den Vorrang vor dem Transport feministischer Anliegen eingeräumt bekommt".

Bestürzte Reaktion der ÖH

Die ÖH zeigt sich sich von der Aktion bestürzt. Die öffentliche Diskussion werde dadurch in die falsche Richtung gelenkt. "Wir sind entsetzt, dass im 21. Jahrhundert ernsthaft gefordert wird auf weibliche Bezeichnungen zu verzichten. Die männlichen Bezeichnungen schließen die weiblichen ganz klar aus. Geschlechtergerechte Sprache ist ein wichtiger Schritt für absolute Gleichstellung von Frauen und ist nicht mehr wegzudenken", so Florian Kraushofer vom Vorsitzteam der ÖH.

"Die Forderungen widersprechen außerdem zahlreichen EU-Richtlinien und gültigen Gesetzen." Sprache spiegele Realität wider, so die studentische Interessensvertretung. "Bei wichtigen Texten wie Gesetzen und Normen weibliche Bezeichnungen wegzulassen, ist mehr als bedenklich und ist absolut unzeitgemäß. Angebliches "Frauen mitmeinen" reicht noch lange nicht", so Kraushofer, "wir werden uns vehement dafür einsetzen, dass geschlechtergerechte Formulierungen auch weiterhin in wichtigen gesellschaftlichen Bereichen verwendet werden.

Geschlechtersensible Sprache unverzichtbar

Schützenhilfe kommt von SPÖ-Bundesfrauengeschäftsführerin Andrea Brunner. "Eine geschlechtersensible Sprache ist ein unverzichtbares Element einer Gesellschaft, in der Frauen und Männer gleichgestellt sind, das möchte ich allen Unterzeichnenden dieses Offenen Briefes mit auf den Weg geben", sagte Brunner gegenüber dem SPÖ-Pressedienst. Sie verweist darauf, dass in vielen Studien bewiesen wurde, dass es keine "geschlechtsneutralen" Formulierungen gäbe. "Wer Frauen sprachlich ausblendet, macht sie unsichtbar", betonte Brunner.

Gabriele Heinisch-Hosek weist die Forderung schlichtweg zurück. Weibliche Formen unerwähnt zu lassen und Frauen damit auszublenden, das wäre ein völlig falsches Zeichen", so die Ministerin.

Im Wissenschaftsministerium verweist man auf die gelebte Praxis im Ministerium, wo - sofern lesbar - die "geschlechtsneutrale" Formulierung (z.B. "Studierende" statt "Studentinnen" und "Studenten") verwendet wird. "Wo das nicht möglich ist, werden - wie gesetzlich vorgesehen - durchgehend beide Geschlechter angeführt", so Ressortchef Reinhold Mitterlehner.

Radikale Lösung

Die FPÖ hat Mitterlehner indes am Montag aufgefordert, er solle "dem Genderwahn den Geldhahn abdrehen" und Gender-Lehrveranstaltungen aus allen Studienplänen der Unis streichen. "Die sogenannte Genderwissenschaft entwickelt sich zu einem Korsett für unsere Sprache und unser Denken", so der Nationalratsabgeordnete Gerhard Deimek. "Reinhold Mitterlehner muss zeigen, ob der noch christlich-soziale Wurzeln in sich hat, oder ob er längst zum angepassten Klon des grün-affinen Rupprechter wurde." (APA/red, derStandard.at, 14.7.2014)