Wien - Großbuchstaben sind in der Rechtschreibung seit jeher nur Wortanfängen vorbehalten. Das Binnen-I wäre daher "durch keine Rechtschreibregel gerechtfertigt und daher zu vermeiden". So steht es im Entwurf zur neuen Önorm A 1080 über "Richtlinien für die Textgestaltung" , die Mitte Februar zur Begutachtung ausgeschickt wurde und eine ungewöhnliche Flut an Stellungnahmen ausgelöst hat. "Normalerweise bekommen wir bei solchen Entwürfen fünf bis zehn, gelegentlich auch mal 20 Stellungnahmen. In diesem Fall waren es aber knapp 1400", sagt Johannes Stern, Kommunikationsdirektor des Normungsinstituts Austrian Standards.

Dabei geht es um gerade vier Zeilen in einem 92 Seiten starken Dokument, weitere vier Zeilen erklären deutlich, dass das hochgestellte "a" hinter dem Titel "Mag." (um eine Frau Magistra von einem Herrn Magister zu unterscheiden) unzulässig ist.

Texte sollten laut Normungskommission verständlich und lesbar sein: "Den Lesern eines Textes einen 'Buchstabensalat' zu präsentieren mit der Aufgabenstellung, sich selbst die passenden Teile zusammenzusuchen, ist weder für die weibliche noch für die männliche Seite ein Zeichen von Wertschätzung. Schreibweisen wie 'Liebe/r Besucher/in ...' sind daher nicht als beide Geschlechter gleich achtend einzustufen, sondern beide Seiten in gleicher Weise missachtend."

Offenes Verfahren

Noch ist das Verfahren offen, doch die Aufregung um die gendergerechte Gestaltung von Texten hat durch einen offenen Brief von 800 Sprachexperten neue Nahrung bekommen, die den Empfehlungen des Entwurfs folgen: "Ein minimaler Prozentsatz kämpferischer Sprachfeministinnen darf nicht länger der nahezu 90-prozentigen Mehrheit der Staatsbürger ihren Willen aufzwingen", heißt es in dem Schreiben, das unter anderem vom Philosophen Konrad Paul Liessmann, dem Mathematiker Rudolf Taschner, dem Verfassungsjuristen Heinz Mayer, Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder, dem deutschen Journalisten und Sprachpfleger Bastian Sick und der Schauspielerin Chris Lohner unterzeichnet ist.

Adressaten sind die Schul- und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek und Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner. Heinisch-Hosek zeigt sich wenig beeindruckt: "Sprache schafft Wirklichkeit. Weibliche Formen unerwähnt zu lassen und Frauen damit auszublenden, das wäre ein völlig falsches Zeichen." In einem vom Frauenministerium herausgegebenen Leitfaden "Geschlechtergerechter Sprachgebrauch" wird zwar zunächst die auch von Austrian Standards vorgeschlagene Sprachregelung mit Vollformen (wobei die weibliche Form an erster Stelle stehen soll) empfohlen, also: "Eine Schülerin oder ein Schüler des Gymnasiums wird am Redewettbewerb teilnehmen."

Aber dann folgen sämtliche unschönen Formen mit Schrägstrichen und Binnen-I, "um zu signalisieren, dass die Personenbezeichnung auf Frauen und Männer Bezug nimmt".

Mitterlehner hält sich mit einer Stellungnahme zurück und verweist auf die Autonomie von Austrian Standards - wobei das Institut selbst auf Konsens bedacht ist. In Mitterlehners eigenem Ministerium gilt: "Wo es möglich ist, spricht aus Gründen der Lesbarkeit nichts gegen eine 'geschlechtsneutrale' Formulierung." Wo das nicht passt, sollen beide Formen verwendet werden.  (Conrad Seidl, DER STANDARD, 15.7.2014)