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Diese vier New Yorker Freundinnen haben nicht nur einen ähnlichen Geschmack, wie ihr Getränk zeigt. Auch ihre Geruchsgene dürften eine hohe Übereinstimmung aufweisen.

Foto: Warner Bros., Craig Blankenhorn/AP/dapd

Washington/Wien - Es ist ziemlich erstaunlich, was Nicholas Christakis und James Fowler über "Die Macht der sozialen Netzwerke" (so der Titel ihres gemeinsamen Buches) herausgefunden haben. Die beiden US-Sozialwissenschafter konnten nämlich unter anderem zeigen, dass etwa Fettsucht, das Rauchverhalten oder Glück hochgradig sozial ansteckend sind. Mit anderen Worten: Was Freunde und Bekannte in unseren sozialen Netzwerken tun und fühlen, hat weitaus mehr Einfluss auf unser Leben, als wir vermutlich gerne zugeben möchten.

Eine wichtige Datenbasis für die Untersuchungen von Christakis, der an der Yale University forscht, und Fowler (University of California in San Diego) ist die Framingham-Studie, die seit 1948 die Bevölkerung der gleichnamigen US-Stadt unter die medizinische Lupe nimmt. Für ihre neueste Studie hat das Forscherduo insgesamt 1932 Teilnehmer der Studie auf 1,5 Millionen für SNIPs, also Marker für Genvariationen, untersucht und verglichen, ob und wie sich befreundete Personen genetisch ähnlicher sind.

Genetisch Cousins vierten Grades

Das Ergebnis der im Fachblatt "PNAS" veröffentlichten Analysen war eindeutig: Die DNA von Freunden weist größere Ähnlichkeiten auf als von fremden Personen. Sie entspricht in etwa der von Cousins vierten Grades oder von gemeinsamen Urururgroßeltern. Damit lassen sich auf Basis der DNA Freundschaften ähnlich gut vorhersagen wie Fettsucht oder Schizophrenie.

Für die beiden Autoren liegt der Grund für solche genetischen Ähnlichkeiten von Freunden im evolutionären Vorteil, den sie als "funktionelle Verwandtschaft" bezeichnen. In ganz einfachen Worten: Wenn einer Person bei einer ähnlichen Temperatur kalt ist wie ihrem Freund und Feuer macht, dann ist beiden geholfen.

Die beiden Autoren analysierten aber auch, wo die genetische Übereinstimmung von Freunden besonders hoch ist und wo besonders niedrig. Besonders hoch scheint die Ähnlichkeit bei  jenen Genen zu sein, die den Geruchssinn steuern. Die Formulierung "sich riechen können" bekommt dadurch eine genetische Bestätigung. Laut Fowler könnte man das dadurch erklären, dass Menschen mit ähnlichen Geruchspräferenzen sich an ähnlichen Orten aufhalten - also etwa Kaffeeduftliebhaber in Kaffeehäusern. Vermutlich stecke aber noch mehr Evolutionsbiologie hinter dieser auffälligen Affinität.

Besonders niedrig sei umgekehrt die Ähnlichkeit bei Genen, die das Immunsystem kontrollieren. Das könnte evolutionsbiologisch dazu dienen, die Verbreitung von Pathogenen zu unterbinden, vermuten die Autoren. Doch auch in dem Fall können sie über die dahinter liegenden Faktoren nur spekulieren.

Das vielleicht erstaunlichste Resultat der Studie sei schließlich, dass jene Gene mit den größten Übereinstimmungen unter Freunden auch jene Gene sind, die sich am schnellsten evolutionär verändern. Das wiederum deute darauf hin, dass sie soziale Umgebung selbst eine evolutionäre Kraft sei – und die Menschen so etwas wie ein "Metagenom" bilden, wie Christakis formuliert: "Es scheint, dass unsere Fitness nicht allein von unserer eigenen genetischen Konstitution abhängt, sondern auch von der unserer Freunde." (tasch, DER STANDARD, 15.7.2014)