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Weltmeister in der Kabine.

APA/EPA/Bergmann

Benjamin schaut grauenvoll aus. Verdreckte Jacke, fahlgrünes Gesicht. Kein Wunder, er hat die Nacht auf Montag im Berliner Tiergarten verbracht. Wobei "Nacht" ein wenig zu hoch gegriffen ist. Auf der Fanmeile feierte er bis fünf Uhr früh, "und dann lohnte es sich ohnehin nicht mehr, nach Hause zu fahren".

Doch der 24-Jährige fühlt sich ausgezeichnet: "Wir sind Weltmeister, und wir haben es verdient." Dies ist überhaupt einer der am meisten gehörten Begriffe am Tag nach dem Sieg: "Verdient". Fans und Reporter, sie alle sind der Meinung, Deutschland habe diesen Sieg verdient. Weil die Mannschaft gekämpft hat, weil sie so lange schon auf einen Titel gewartet hat, weil sie eben zu den besten gehört.

Es gibt Gelegenheit, ausführlich Danke zu sagen. Um neun Uhr landet der aus Rio de Janeiro kommende Flieger mit der Mannschaft an Bord in Berlin-Tegel. Danach geht es per Bus ans Brandenburger Tor, wo das Team nicht nur ein Laufsteg, sondern auch ein großes Plakat mit der Aufschrift "Danke Jungs. Weltmeister 2014", erwartet.

Weder die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel noch Bundespräsident Joachim Gauck werden bei diesem Volksfest dabei sein, da beide auf lange geplanten Reisen sind. Doch sowohl Gauck als auch Merkel haben den Spielern schon nach dem Sieg in der Kabine des Maracanã gratuliert. Merkel hat darin schon nahezu Routine, sie sucht gern die siegreichen Spieler in der Kabine auf, sie kam auch nach dem erfolgreichen Auftaktspiel der deutschen Mannschaft gegen Portugal (4:0) zu Besuch.

Zum Finale war Merkel übrigens nicht nur mit ihrer schwarz-rot-goldenen "Schland-Halskette" gekommen, sondern auch mit einer Handtasche in Form eines schwarz-rot-goldenen Fußballs. Ein äußerst ungewöhnliches, aber wohl Glück bringendes Accessoire, der sonst modisch eher zurückhaltenden Regierungschefin.

60 Cent für den Sieg

Es gibt von Deutschland auch noch ein ganz offizielles Danke: Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lässt eine Sonderbriefmarke zum WM-Sieg herausgeben. "Deutschland Fußballweltmeister 2014" steht drauf, die 60-Cent-Marke ist ab Donnerstag erhältlich. Spieler, Betreuer und natürlich Trainer Jogi Löw bekommen eine Ersttagsausgabe. Und vom Deutschen Fußballbund (DFB) übrigens 300.000 Euro pro Mann und Nase.

Apropos Löw. Sein Heimatort Schönau im Schwarzwald hat sich für den Ehrenbürger etwas Besonderes ausgedacht. Das Ortsschild von "Schönau" wurde kurzerhand überklebt, der Ort heißt fürs erste "Löwnau".

Jetzt, da Löw den 80 Millionen deutschen Bundestrainern endlich den Pokal nach Hause bringt, ist auch sein mitunter recht ausgeprägter badischer Akzent zum Kult geworden. Ihm wird "högschder" Respekt gezollt.

Auch von DFB-Chef Wolfgang Niersbach. Der sagte nach dem Sieg über Löws Zukunft: "Er wird auch in zwei Jahren Trainer sein." In diesem Fall würde Löw Deutschland in die EM in Frankreich führen. Sein Vertrag läuft bis zum Jahr 2016, Löw selbst wollte sich zunächst nicht zu seinen Plänen äußern.

Finanziell erfreulich ist der deutsche Triumph vor allem für den Sportartikelhersteller Adidas. Die Aktie setzte sich am Montag mit einem Plus von 2,5 Prozent an die Spitze im Leitindex DAX.

Trikot mit viertem Stern

Adidas hat unmittelbar nach Abpfiff mit der Produktion neuer Trikots begonnen. Diese werden mit einem vierten Stern für den vierten Titel versehen.

Ökonomen wie auch die deutsche Bundesregierung erwarten nun aber nicht, dass der Titelgewinn in Deutschland einen generellen Kaufrausch auslöst. "Ein gewisser Stimmungseffekt ist da, die Kauflaune kann leicht steigen" , sagt Postbank-Chefvolkswirt Marco Bargel. "Aber das ist kurzlebig. Deutschland wird nicht in einen Konsumrausch fallen." Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) hofft allerdings auf einen Imagegewinn, der dem deutschen Außenhandel längerfristig nützen könnte. (Birgit Baumann, DER STANDARD, 15.07.2014)