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Warteschlange vor einer Corporate Commercial Bank in Bulgarien.

Foto: Reuters/Nenov

Der bulgarische Investigativjournalist Atanas Tschobanow erklärt aus seiner Sicht die Hintergründe für den spektakulären Fall der Corporate Commercial Bank (CCB) in Sofia: Ein Oligarch bedient sich der Justiz im Kampf gegen einen anderen Oligarchen. Markus Bernath sprach mit Tschobanow, Mitherausgeber des Nachrichtenportals Bivol (Büffel), das in den vergangenen Jahren mehrfach über die CCB (bulgarisch: KTB) berichtete. Bulgariens politische Führung sucht derzeit noch nach einer Finanzlösung für die Bank.

derStandard.at: Was bedeutet der Zusammenbruch der Corpbank in Bulgarien? Geht es nur um den Streit zweier Oligarchen?

Tschobanow: Augenscheinlich ist es ein Kampf zwischen Tswetan Wassilew, dem Mehrheitseigner der Bank, und Deljan Peewski, seinem früheren Geschäftspartner. Peewski benutzt die Institutionen, während Wassilew nun in einer schwachen Position ist. Er hat seine Bank verloren, und er ist im Ausland (in Wien, Anm.). Die bulgarische Staatsanwaltschaft wird ihn wahrscheinlich anklagen und einen internationalen Haftbefehl erlassen. Aber das ist nur das oberflächliche Bild. Bulgariens Banken und die Finanzaufsicht haben eine tiefere Geschichte.

Ein früherer US-Botschafter in Sofia hat 2006 in einer Analyse – Wikileaks hat sie veröffentlicht – vier Banken genannt, die hohe Kredite an Leute mit Verbindungen vergaben: die "faulen Äpfel", wie er sie bezeichnete, darunter auch die Corpbank (CCB). Der Botschafter zitierte damals den Chef der bulgarischen Finanzpolizei, der über die sehr laxe Finanzaufsicht über diese Banken klagte. Es gab demnach politischen Druck auf die Finanzpolizei, damit einige dieser Banken nicht behelligt wurden. Oligarchen – vermögende Unternehmer, die eine Rolle in der Regierung suchen – sind nichts Neues für Bulgarien. Der Schock, der nun die Corpbank traf, war deshalb absehbar.

Es gibt auch eine Parallele zu einem anderen Banker, Emil Kjulew, der 2005 in Sofia erschossen wurde. Kjulew war der seinerzeit reichste Mann Bulgariens. Seine Roseximbank (später DZI, Anm.) kam aus dem Nichts. Kjulew finanzierte die Partei des früheren Zaren Simeon und machte so erst deren Wahlsieg im Jahr 2001 möglich. Und dann wurde Kjulew von der Bühne geräumt. Ich fürchte, wir sehen heute ein ähnliches Szenario mit Tswetan Wassilew und seiner CCB.

derStandard.at: Die Corpbank ist sehr schnell gewachsen. Privatleute ebenso wie öffentliche Unternehmen haben ihre Guthaben bei dieser Bank. Das ist ja nun ein Problem, wenn sie in Konkurs geht.

Tschobanow: Richtig. Es gibt zum einen Konten von Schlüsselunternehmen aus der Energie- oder Verkehrsbranche bei der Bank. Die Konten zum Beispiel von Risk Engineering, einem Unternehmen, das das Atomkraftwerk Kozloduj modernisiert, sind jetzt blockiert. Und dann gibt es die Guthaben von vermögenden Privatpersonen, womöglich Politiker, Richter, hohe Beamte – Leute, die keine solche Summen rechtfertigen können. Sie haben Sonderkonditionen bekommen, acht Prozent Zinsen auf ihr Geld zum Beispiel – etwas, was nicht normal ist für dieses Land.

Wenn der Staat, die Steuerzahler für die Bank einspringen sollen, dann ist es nur legitim zu fragen: Wen sollen wir da retten? Doch diese Liste mit den privaten Kontoinhabern ist vermutlich das derzeit geheimste Dokument in Bulgarien. Und wenn der Ursprung des Geldes nicht klar ist, ist es an der Staatsanwaltschaft, Ermittlungen anzustellen.

derStandard.at: Wenn man die Abfolge der Ereignisse der vergangenen Wochen betrachtet, die zum Zusammenbruch der CCB führten, dann sieht das aus wie eine orchestrierte Kampagne.

Tschobanow: Absolut. Die wichtigste Waffe war die Staatsanwaltschaft. Sie gab bekannt, dass sie Firmen durchsuchte, die mit der Bank in Verbindung stehen. Das kam natürlich auf die Titelseiten der Zeitungen, die wiederum mit Deljan Peewski verbunden sind; Wassilew, sein Ex-Geschäftspartner, hatte diese Medien früher einmal finanziert, wir haben Belege dafür. Nun aber wandten sich diese Zeitungen gegen Wassilew und behaupteten, die CCB stehe vor dem Untergang. Das war der Auslöser für den Ansturm auf die Bank.

In der nächsten Phase zogen einige staatliche Unternehmen ihre Guthaben ab, und natürlich Deljan Peewski mit den Firmen, die er kontrolliert, etwa Bulgartabak. Er wollte dem Vernehmen nach die Kredite nicht bedienen, die bei der Bank offen waren. Das war ein Angriff mit der Staatsanwaltschaft und den Medien auf die Bank.

derStandard.at: Aber ein Angriff, der etwas außer Kontrolle geriet, wenn man sich nun die möglichen finanziellen Auswirkungen für den bulgarischen Staat und die Steuerzahler vor Augen hält.

Tschobanow: Ich glaube, sie sind vorangegangen, ohne über die weiteren Konsequenzen nachzudenken. Es ist ja nicht allein die CCB. Es gibt noch ein Versicherungsunternehmen – Victoria – mit großen Kunden, das an die Bank angeschlossen ist. Wer zahlt, wenn jetzt ein Unfall passiert, etwa bei Bulgartransgas, dem Gasnetz des Landes? Der Anstoß für den Angriff auf die Bank kam von Peewski und den Leuten, die hinter ihm stehen.

Sie wollen, so sieht es aus, ganz einfach nicht ihre Schulden zahlen, vor allem nicht für den Kauf von Bulgartabak, einem Schlüsselunternehmen. Bulgartabak ist ein Mittel, um die Wählerstimmen der türkisch-muslimischen Minderheit in Bulgarien zu kontrollieren. Sie produzieren den Tabak, und Bulgartabak ist der größte Arbeitgeber, das Unternehmen, das den Tabak aufkauft. Die Privatisierung von Bulgartabak war sehr undurchsichtig. Sie ging über Offshore-Firmen, und die Kredite dafür kamen von Wassilew. Seine Gegner hoffen nun, dass sie nur einen Bruchteil der Kredite zahlen müssen, wenn die Bank ruiniert ist.

derStandard.at: Deljan Peewski ist ein Phänomen. Wie ist es möglich, dass jemand mit Anfang 20 und offenbar ohne große Qualifikation eine Karriere im Staat beginnt, Vizeminister wird, Untersuchungsrichter, Multiunternehmer?

Tschobanow: Er ist ein Strohmann, vielleicht in erster Linie von Ahmed Dogan, dem Gründer der Partei der türkischstämmigen Minderheit DPS. Peewski kam in die Öffentlichkeit, nachdem Ilia Pawlow (ein einflussreicher Geschäftsmann, Chef der Multigroup, Anm.) und der Banker Emil Kjulew erschossen wurden. Ich würde ihn nicht als Phänomen bezeichnen. Er ist ein Nebeneffekt des intransparenten Machtgefüges von Politik, Finanzen und Medien in Bulgarien. (Markus Bernath, derStandard.at, 16.7.2014)