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Der Hadrianstempel in Ephesos: kein Kaiserkulttempel wie ursprünglich angenommen, sondern ein Tempel für Kulthandlungen während der Prozession.

Foto: APA/ÖAI/N. GAIL

Selçuk/Wien - Die Kuretenstraße ist eine der Hauptstraßen im antiken Ephesos: Im Frühjahr und Sommer bahnen sich hier tausende Touristen ihren Weg. Im Winter herrscht vergleichsweise gähnende Leere, denn auch in Ephesos, an der Südwestküste der heutigen Türkei, kann es bitterkalt und nass werden. Witterungsverhältnisse, die nicht nur den Massentourismus pausieren lassen, sondern über die Jahre auch den teilweise wiedererrichteten Bauten, den Anastilosen, zusetzen: Der weltberühmte Hadrianstempel zum Beispiel, direkt an dieser Kuretenstraße gelegen, wies zuletzt enorme Schäden auf und war sogar einsturzgefährdet.

Noch während der Ausgrabung der gut erhaltenen Tempelüberreste in den Jahren 1957 bis 1959 wurde der teilweise Wiederaufbau begonnen. Das war für damalige Verhältnisse schnell - zu schnell, wie deutsche Archäologen anmerkten, die eine eingehende Analyse vor dem Aufbau angeregt hatten. Trotz der Eile verwendete man die in den 1950er-Jahren besten Materialien für den Wiederaufbau: Mit Beton und Eisenverstrebungen sollte der Hadrianstempel in altem Glanz erstrahlen.

Grabungsleiter war Franz Miltner, dessen Nähe zum Nationalsozialismus unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg zwar zur Pensionierung und zum Verlust seiner Professur führte, der aber in den 1950er-Jahren wieder in seinem Beruf arbeiten durfte. Als er die Überreste des Tempels fand, dachte er zunächst, es handle sich um den literarisch dokumentierten Kulttempel für Kaiser Hadrian. Eine Inschrift mit einer Widmung für den römischen Herrscher hatte ihn auf die falsche Fährte geführt. Erst in den frühen 1970er-Jahren konnten Archäologen nachweisen, dass die Inschrift aus den Jahren 117 bis 118 stammte. Das war mehr als zehn Jahre vor Errichtung des Kulttempels. Miltner hätte es ahnen können, denn Kaiserkulttempel waren für gewöhnlich größer und imposanter.

Aber wozu diente der Hadrianstempel, wenn nicht zur kultischen Verehrung Hadrians? Die österreichische Archäologin Ursula Quatember meint, dass der Tempel einen ganz bestimmten Zweck hatte: Während der vom Artemision in die Stadt und über die Kuretenstaße führenden Prozessionen sollten ebendort Kulthandlungen stattfinden.

Die Wissenschafterin hat zwischen 2009 und 2012 in einem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt die Struktur des Hadrianstempels mittels 3-D-Scannings dokumentiert und seinen Zustand analysiert. Dabei schuf sie mit ihrem Team auch die Grundlagen für die längst fällige Restaurierung des Baus. "Man muss zuerst im Detail erkennen, welches Bauwerk man vor sich hat, um zu sehen, was man für seinen Erhalt tun muss", sagt Quatember.

Eine Oberfläche wie Zucker

Bevor es an die Restaurierung ging, wurden umfassende Schadbildanalysen und Statikbefunde gemacht. Dabei wurde der Zustand der Tempel deutlich: Der antike, teilweise gebrochene Marmor hatte über die Jahre Wasser aufgenommen und wurde aufgrund der großen Temperaturunterschiede in Ephesos sehr labil. Experten nenne das "Zuckerkorrosion". Die Oberfläche war wie Kristallzucker und brach über die Jahrzehnte Stück für Stück weg. Ein Vergleich, wie die Reliefs kurz nach dem Fund beschaffen waren und wie sie heute zu einem Gutteil verschwunden sind, zeige das dramatische Ausmaß der Schäden, sagt Sabine Ladstätter, heute Grabungsleiterin und Direktorin des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI), einer nachgeordneten Dienststelle des Wissenschafts- und Wirtschaftsministeriums.

Drei Jahre dauerte die Restaurierung: Der Tempel wurde abgebaut. Die Restaurateure stoppten den Verfall des Reliefs mit Kalkschlämmen, die mittels Injektionen angebracht wurden. Die Fugen wurden mit Kalkmörtel geschlossen. Doch ehe man das Monument wiederaufbauen konnte, musste ein weiteres Problem gelöst werden: In der Antike war das Gebäude in die umgebende Bebauung eingebettet, die Strukturen stützten sich gegenseitig. Das war nach dem teilweisen Wiederaufbau Ende der 1950er-Jahre nicht der Fall. In der Nähe des Hadrianstempels standen nur teilweise wiederaufgebaute antike Gebäude. Statiker hatten zuletzt die Befürchtung geäußert, der Tempel könne in sich zusammenbrechen und dabei Touristen gefährden. Die Giebelblöcke ragten jedenfalls schon keilförmig auseinander.

Um einer ähnlichen Gefahr vorzubeugen, wurde nun eine Ringstahlkonstruktion eingezogen. Damit sollte der Tempel künftig auf einem stabileren Untergrund als bisher stehen. Die alte Pracht wird spätestens zum "Zuckerfest", dem Ende des Ramadan Ende Juli, wieder zu sehen sein, dann soll die Restaurierung endgültig beendet sein.

Künftig will man derartige Schäden frühzeitig erkennen - dank regelmäßiger Monitorings. Ladstätter: "Man könnte damit auch Geld sparen." Die Arbeit am Hadrianstempel kostete immerhin 135.000 Euro, zwei Drittel davon übernahm die US-amerikanische Kaplan Foundation.

Insgesamt dürften wohl 15 Monumente in Ephesos restaurierungsbedürftig sein. Domitians Brunnen zeige große Schäden. "Wir werden auch eine Schadbildkartierung der Celsus-Bibliothek durchführen müssen. Die könnte ernüchternd sein."

Warum hat man nicht früher für den Erhalt gesorgt? "Das war bis vor etwa fünfzehn Jahren nicht im Denken der Archäologie. Man grub aus und baute auf. Damit war die Sache erledigt." Heute sei es eine Selbstverständlichkeit, sich um den Erhalt der Monumente zu kümmern. Ladstätter warnt dennoch vor zu vielen Wiederaufbauten und verweist auf das Hanghaus 2 in Ephesos, das unter einem Zelt halbwegs vor der Witterung geschützt ist. Auch da müsse man regelmäßig analysieren, ob die Mosaikböden vielleicht aufbrechen - und rasch nachbessern, ehe große Schäden entstehen. (Peter Illetschko, DER STANDARD, 16.7.2014)