Schnass hat ein Faible für schnörkellose Mathematik.

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Nach zwei Jahren an der Universität von Sassari kehrt die Mathematikerin Karin Schnass nach Österreich zurück. Mit einem Erwin-Schrödinger-Stipendium des Wissenschaftsfonds FWF hatte sie auf Sardinien am dortigen Computer Vision Laboratory geforscht. Nicht der erste Auslandsaufenthalt der gebürtigen Niederösterreicherin, die nach dem Master in Mathematik an der Universität Wien einige Monate bei Philips in den Niederlanden gearbeitet hat.

An der Uni Innsbruck will die 34-Jährige, die kürzlich mit einem Start-Preis des Wissenschaftsministeriums ausgezeichnet wurde, hochdimensionale Daten besser für die Praxis einsetzbar machen - etwa Bilder und Filme im medizinischen oder Unterhaltungsbereich. Im Zeitalter großer Datenmengen will Schnass die am besten geeigneten Bausteine finden, mit denen sich alle Elemente einer Datenklasse wie Filme oder Fotos konstruieren, darstellen und beschreiben lassen.

So zeichnet etwa der Teilchenbeschleuniger am Cern in der Schweiz 800 GigaByte (GB) pro Sekunde auf - dabei gäbe es ein Vielfaches an Daten. "Je weniger Bausteine aus meinem Dictionary ich pro Bild brauche, desto einfacher ist es, Bilder zu entrauschen oder aufzunehmen", erklärt Schnass. Dictionary Learning ist für sie eine Maschine, in die man viele Beispiele einer Datenklasse hineinsteckt und die dann einen geeigneten Bausteinsatz für diese Klasse ausspuckt. Mit ihrem Team will sie sich in den kommenden Jahren ansehen, "wie wir die Maschine am besten einstellen und sinnvoll verwenden können".

Schnörkellose Mathematik

Mathematik mag Karin Schnass, weil sie klar und schnörkellos ist. Die Forscherin genießt es, wie sie sagt, "2000 Vektoren in einen 1000-dimensionalen Raum zu stopfen". Seit ihrer Zeit bei Philips weiß sie, dass sie diese Vorliebe in der Forschung einsetzen möchte - und findet später rasch Gefallen an Industrie und Akademie. Erstere bietet recht unmittelbare Aussicht, ein Problem zu lösen. Die universitäre Grundlagenforschung wiederum ermöglicht ihr, ihre eigene Chefin zu sein und Rock-'n'-Roll-Ambitionen in die Lehre zu katalysieren.

Das Doktorat absolviert Schnass am Signal Processing Laboratory 2 der ETH Lausanne. Nach der Geburt ihres ersten Kindes im Jahr 2009 arbeitet sie am Johann Radon Institute of Computational Mathematics in Linz. Als das zweite Kind zwei Jahre später zur Welt kommt, übersiedelt sie nach Italien, die Heimat ihres Mannes. Für ihre Wanderlust hat die Forscherin eine recht alltagspsychologische Erklärung: "Während des Studiums wohnte ich bei meinen Eltern in Klosterneuburg, da waren danach extremere Mittel notwendig, um mich abzunabeln."

Zweimal wieder einzusteigen sowie Forschung und Familie unter einen Hut zu bringen ist herausfordernd. Eigentlich schiebt sie täglich ihr schlechtes Gewissen hin und her: von "Ich arbeite zu wenig" zu "Ich verbringe zu wenig Zeit mit meinen Kindern". Ohne die Möglichkeit, auch einmal in Teilzeit zu forschen, ohne die Bereitschaft ihres Mannes, gemeinsam an den jeweils besten Ort zu ziehen, und ohne faire Aufgabenteilung bei der Kinderbetreuung hätte sie es nicht geschafft. Ohne sehr viel Selbstorganisation sowieso nicht. Der Start-Preis verschafft ihr nun erstmals eine längerfristige Perspektive ohne Existenzangst. Da könnte die umtriebige Mathematikerin Schnass glatt sesshaft werden. (Astrid Kuffner, DER STANDARD, 16.7.2014)