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Goldjunge und Wiener Walzerkönig Johann Strauss, hier in Form der berühmten Statue im Wiener Stadtpark. Bei Konzerten im Ausland spielte er sich durch Einweben lokaler Motive erfolgreich in die Herzen des Publikums - und wurde zum Superstar stilisiert.
Krems - Das Lebenswerk einer Familie war nur noch Asche: 1907 verbrannte Eduard Strauß das komplette Notenmaterial der berühmten Komponistenfamilie. Warum er sämtliche Aufzeichnungen der Walzerdynastie in Brand steckte, ist bis heute ungeklärt. Musikwissenschaftern wurde die Arbeit damit nicht unbedingt erleichtert. An der Donau-Universität Krems weiß man sich trotzdem zu helfen: Das Privatarchiv des Kulturhistorikers und Musikwissenschafters Franz Mailer, der 2010 verstarb, ist Grundlage für die dortige Forschung zur Familie Strauss (Eduard schrieb als einziges Mitglied der Dynastie seinen Namen mit "ß" ). Das Archiv befindet sich seit 2008 im Besitz der Hochschule.
Die zirka 100.000 Blätter umfassende Sammlung besteht aus einer fast lückenlosen Dokumentation von in jener Zeit erschienenen Zeitungsartikeln und Rezensionen zum Werk von Johann Strauss und Söhnen sowie aus einer Notensammlung. "Es macht den besonderen Wert dieser Sammlung aus, dass an einem Ort eine komplette Übersicht des fast gesamten Werks der Strauss-Familie vorliegt", erklärt Eva Maria Stöckler, die in Krems die Auswertung dieses Materials verantwortet.
Das Strauss-Werk soll in Krems vor allem im historischen und wirtschaftsgeschichtlichen Kontext jener Zeit untersucht werden. Stöckler, Leiterin des Zentrums für Zeitgenössische Musik der Donau-Universität, erhofft sich von der Aufarbeitung dieser Quellen wesentliche Erkenntnisse über die Entstehung musikwirtschaftlicher Strukturen in der Unterhaltungsmusik des 19. Jahrhunderts: "Die Musikgeschichte besteht nicht nur aus über allem schwebenden genialen Komponisten. Wir wollen am Beispiel der Familie Strauss den Beginn einer sehr professionalisierten Musikwirtschaft und die Entstehung des modernen Musikmanagements darstellen."
Alte Verknüpfungen
Stöcklers Forschung hängt unmittelbar mit dem Lehrangebot der Donau-Universität zusammen, die Erkenntnisse sollen den Studierenden des Masterstudiengangs "Musikmanagement" nähergebracht werden: "Gerade den Studierenden, die aus der Musik kommen, denken, dass der wirtschaftliche Aspekt etwas Neues ist", sagt Stöckler. "Ich halte es für wichtig, dass man ihnen mitgibt: Die Verknüpfung von Kunst und Ökonomie ist keine zeitgenössische Erscheinung. Diese Beziehung hat es schon immer gegeben."
Die organisierte Vermarktung von Musik ist nicht erst im Zeitalter des Pop entstanden. Schon Johann Strauss und seine Söhne machten lukrative Verträge - anstatt mit Plattenfirmen schloss man die Kontrakte mit Musikverlegern ab. Der Notendruck war seinerzeit ein großer Absatzmarkt: In einem Bürgerhaushalt, der etwas auf sich hielt, durfte ein Klavier nicht fehlen. Bedingt durch das damals noch fehlende Urheberrecht war der Markt sehr undurchsichtig, Plagiate und Ghostwriter waren an der Tagesordnung. Strauss und Söhne gelang es, zu regelrechten Monopolisten aufzusteigen. Die geschäftstüchtige Familie scheute sich auch nicht davor, unter anderem Namen Werke doppelt zu verkaufen.
Vertrieb bedeutet auch Vermarktung, wofür die Strauss-Familie ein besonderes Talent zeigte. Neue Werke wurden dem Publikum nicht nur vor Ort in Wien, sondern weltweit auf Tourneen bekanntgemacht - mitunter mithilfe von Feuerwerken als Special Effects. Dabei wurden die Zuhörer unter anderem derart umgarnt, dass die Musik auf die jeweiligen Vorlieben der Menschen in London oder Hamburg abgestimmt war: Bei den Tourneen in Amerika oder Russland wurden bewusst lokale Motive und Volkslieder in die Konzerte eingewoben, um den Geschmack der lokalen Walzerfans zu treffen.
Ähnlich wie heute inszenierte man vor allem mithilfe der Medien einen Starkult um die Musiker. Dessen Ausprägung sogar die Expertin überrascht hat: "Es ist erstaunlich, mit welcher Professionalität und strategischer Planung diese Karrieren gemacht worden sind. Streckenweise hat man das Gefühl, dass da nichts dem Zufall überlassen wurde." So war etwa Anna Strauss dagegen, dass sich ihr Sohn Johann mit seiner Geliebten vermählte, damit das weibliche Publikum den vermeintlichen Junggesellen weiterhin anhimmeln konnte.
Wichtige Frauen
Die Frauen der Familie Strauss nehmen bei der Popularisierung der Musik ohnehin einen wichtigen Platz ein. Stöckler: "Die Familie Strauss war ein arbeitsteilig organisiertes Musikproduktionsunternehmen, das die ökonomischen und medialen Möglichkeiten seiner Zeit bestmöglich nutzte und in dem die Frauen wesentlich zum Erfolg beigetragen haben." Anna Strauss, ihre Töchter und die Ehefrauen der Söhne spielten dabei die Rolle der Musikmanagerinnen.
Lange vor Beatles-Agent Brian Epstein oder Elvis Presleys Vermarkter Colonel Parker waren sie spätestens nach dem Tod von Vater Strauss für die wirtschaftlichen Angelegenheiten der kunstschaffenden Familie zuständig: Sie zahlten die Honorare für die Konzertmusiker, handelten die Verträge aus und vermittelten zwischen den häufig streitenden Brüdern. Manager, die schon einmal heftig zankende Bandmitglieder in ein Aufnahmestudio bekommen mussten, werden das kennen. (Johannes Lau, DER STANDARD, 16.7.2014)