Sie wollen kein Binnen-I, kein hochgestelltes a oder in (Maga , DIin), keine Schrägstriche oder Klammern, die die weibliche Form in der Sprache mitliefern. (Ich nehme an, sonst haben Sie keine Probleme mit Schrägstrichen und Klammern.) Sie nennen das mit erhöhter Stimme "Verunstaltung", "Zerstörung der Sprache"(!). Sie wollen zurück "zu sprachlicher Normalität", "zur gewachsenen Struktur der deutschen Sprache", zu ihrer "traditionsgemäßen Anwendung".

Sprache ein Produkt der Gesellschaft

Sie wissen als SprachkritikerInnen sicher, dass sprachliche Strukturen wesentlich gesellschaftlich geprägt sind, dass Sprache (auch) ein Produkt der Gesellschaft ist und deren Positionen und Machtverhältnisse mittransportiert. Sie haben ja Wittgenstein gelesen und Benjamin Whorf, mindestens aber Handkes "Kaspar". Sie wissen natürlich, dass die Struktur unserer Sprache aus einer patriarchalischen Gesellschaft kommt und also patriarchalisch ist. Bitte in der Sprachwissenschaft nachfragen! Und Sie wissen sicher auch, dass manche unserer Autorinnen ein Problem damit hatten, Frau zu sein und also anders als der Mann, aber auf eine männliche Sprache angewiesen waren (nicht nur Jelinek!).

Zurück zu patriarchalischen Formen

Wenn Sie also zur "Norm", zur "gewachsenen Struktur" oder zur "traditionsgemäßen Anwendung" zurückwollen, dann wissen Sie selbstverständlich, dass Sie zu patriarchalischen Formen zurückwollen. Nur sollten Sie es auch dazusagen! Sprache dient nämlich nicht "einzig und allein der problemlosen Verständigung", sondern ist auch eine ideologische Plattform. Wenn Sie sich problemlos verständigen wollen, dann heißt das nichts anderes, als den Störfaktor Frau in der Sprache ausschalten zu wollen.

Angst vor einer feminisierten Sprache

Sie sind besorgt. Vor allem haben Sie Angst vor der "Unlesbarkeit und Unverständlichkeit" einer zart feminisierten Sprache (das Binnen-I, das kleine a und in, da und dort eine Klammer oder ein Schrägstrich, mehr ist es nicht!). Ich bitte Sie! Ich bitte Sie um ein wenig wissenschaftliche Verhältnismäßigkeit und Gelassenheit. Die Teufel, die Sie da an die Wand malen, machen nämlich den Eindruck, dass Sie gar nicht aus der Wissenschaft, sondern aus der Miliz eines stockkonservativen Patriarchats kommen.

Digitale "Verunstaltungen" unserer Sprache und Schrift

Selbst wenn Sie die Forderung nach einer gendergerechteren Sprache nicht verstehen können, die Barrikaden und Kanonen, die Sie gegen die paar Buchstaben richten, machen Sie verdächtig. Wer von Ihnen hat seine Stimme erhoben, zum Beispiel bei der Einführung des @ und anderer digitaler "Verunstaltungen" unserer Sprache und Schrift? (Ich bin überhaupt nicht gegen diese Zeichen und verwende sie dauernd.) Das waren letzten Endes ökonomische Veränderungen, sie wurden anstandslos übernommen, obwohl ihre Übernahme viel mehr Mühe bereitete (zum Beispiel die Änderung der Computertastaturen) als die kleinen Frauensignale. Feminisierung der Sprache ist Ideologie, sagen Sie. Ökonomie nicht?

Helden der antifeministischen Mehrheit

Eine Ihrer Kanonen heißt "Basisdemokratie", ja natürlich, ein "staatstragendes Prinzip". Sie meinen: Die Mehrheit der Sprachteilnehmer entscheidet über die Sprachrichtigkeit, ich kenne das Argument aus meinem Sprachstudium; und die Mehrheit unserer Sprachbenützer will die Änderungen nicht. Sie sind ja sicher auch Parteigänger der "Lederhose der Nation" (Hans Rauscher), Andreas Gabalier, der den Frauen-Zusatz in der Bundeshymne nicht mitsingen will  - wie Sie unter Berufung auf die Tradition - und damit zum Helden der Mehrheit wurde. Sie Helden der antifeministischen Mehrheit mit Ihrem stichfesten Sprach-Alibi! (Rein theoretisch hätte es auch die Möglichkeit gegeben, Helden der Gerechtigkeit zu werden.)

Ich weiß mich frei von parteipolitischen Rücksichten, wenn ich diesmal Frau Heinisch-Hosek völlig recht gebe: „Sprache schafft Wirklichkeit [eine selbstverständliche These der Sprachphilosophie]. Weibliche Formen unerwähnt zu lassen und Frauen damit auszublenden, das wäre ein völlig falsches Zeichen." (Helmut Gollner, Leserkommentar, derStandard.at, 16.7.2014)