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Der Madrider Prado verzeichnete 2013 einen Besucherrückgang von 15 Prozent.

Foto: epa/LEONARDO WEN

Wo sich noch viel bewegt, das ist im Kleinen: Mikrotheater, alternativ-experimentell, in Wohnzimmeratmosphäre, begeistern das Publikum Madrids und in der Provinz. Dem im südspanischen Granada beheimateten Kollektiv Vladimir Tzekov reichen keine 30 Quadratmeter, den Zuseherbereich mitgerechnet. Aber selbst bei drei Euro Eintritt, Fruchtsaft oder Achterl Rot inkludiert, füllt sich das Minitheater nicht.

Die fetten Jahren sind vorbei. Förderte Spanien bis zum Platzen der Immobilienblase wie kein anderer EU-Staat (die Förderungen hatten sich zwischen 2000 und 2007 fast verdoppelt), sind nun die Einschnitte umso herber. Das Ministerium für Sport, Bildung und Kultur unter José Ignacio Wert (Partido Popular, PP) knausert. Der Staat subventioniert Kunst und Kultur mit 957 Millionen Euro (das sind minus 8,9 %), die Regionen machen 1,48 Mrd. € (minus 16,2 %) locker, Gemeinden 3,3 Mrd. (minus 16 %). 2012 schlossen in der Folge fast 2000 Kulturbetriebe, 24.100 Jobs gingen verloren. Der Umsatz in der Kulturindustrie sackte innerhalb von sechs Jahren von 23 Mrd. Euro (2007) auf 16, 9 Mrd. (2013) ab.

"Rote Zahlen, wohin man blickt, Publikum, Verkäufe, Umsätze und Arbeitsplätze", lamentiert Antonio Onetti, Präsident der Stiftung der Verwertungsgesellschaft SGAE, und fordert: "Kultur braucht Förderungen - wie der Belag der Straßen."

Rekorde wie jüngst der des Kinokassenschlagers Ocho Apellidos Vascos (Acht baskische Nachnamen) können nicht über das Kino- und Bühnensterben hinwegtäuschen. Die romantische Komödie von Emilio Martínez-Lázaro erzielte zwar mit 38 Millionen Euro das historisch beste Einspielergebnis - überhaupt verzeichnet der spanische Film im Vorjahr mit 47 Millionen Euro das beste Jahresergebnis -, doch 2012 verschwanden mehr als 35 Kinos von der Bildfläche, trotz Dumpingticketpreisen von drei Euro.

Auch die wichtigsten Museen und Sehenswürdigkeiten büßten 2013 Besucher und Touristen ein: Madrider Prado minus 15 Prozent, minus acht das Guggenheim Museum in Bilbao. Einzig Granadas "rote" Maurenfestung Alhambra widersetzte sich mit einem Plus von 2,4 Prozent dem Trend.

Zehnjahrestief

Wie Theater, Kinos und Konzerthäuser stöhnen sie unter der Last von 21 Prozent Mehrwertsteuer auf Eintritte. Als Folge fielen die Einnahmen um 16 Prozent auf ein Zehnjahrestief. Gefordert wird daher seit zwei Jahren die Rückkehr zu acht Prozent Mehrwertsteuer oder, wie bis 2012 , gar nur vier Prozent. Doch nur Kunstschaffende, von denen knapp die Hälfte weniger als 12.000 Euro brutto jährlich umsetzt, dürfen sich auf Nachlässe freuen, Bühnen und Kinos nicht. Ihnen erteilte Finanzminister Cristóbal Montoro (PP) Ende Juni in seiner Steuerreform eine Absage. Er will vor allem große Filmproduktionen gefördert wissen. Bis zu einem Volumen von einer Million Euro müssen diese künftig 20 Prozent Steuern bezahlen, darüber nur mehr 18 Prozent. Auslandsproduktionen dürfen 15 Prozent, aber maximal drei Millionen Euro, steuerlich absetzen.

Die Spain Film Commission hatte noch 30 Prozent - wie im Gros der EU-Partnerstaaten - gefordert, "um mehr internationale Filmcrews anzulocken". Der Filmproduzentenverband (FAPAE) erachtet Montoros Steuernachlässe als lächerlich: "Die Maßnahmen sind unzureichend. Wegen Steuernachteilen hat man 80 Prozent der internationalen Produktionen in der jüngeren Vergangenheit verloren", so FAPAE-Präsident Ramon Colom. "Es gibt keinen politischen Willen", attestiert Belén Atienza, enge Vertraute von Star-Regisseur Juan Antonio Bayona (Das Waisenhaus, The Impossible). Dabei sei sich die Regierung nicht bewusst, "wie genau eine Vielzahl an Akteuren der weltweiten Filmwirtschaft mit Argusaugen ihr Handeln beobachtet".

Regionale Gesetze

Einzelne Regionen wie die Kanaren beschlossen daher längst eigene Gesetze. Produzenten können 38 Prozent der Kosten steuerlich abschreiben, Koproduzenten immerhin 25 Prozent. Auch Andalusien, das jüngst den Zuschlag als Drehort für die fünfte Staffel von Game of Thrones erhielt, feilt an einer eigenen Legislatur. Mehr als 100 Millionen Euro an direkten und indirekten Einnahmen erhofft sich die Region von den Dreharbeiten. Dazu kämen knapp 900 feste Arbeitsplätze und 5000 temporäre.

Man hofft auf eine Renaissance. Nach der Ära der Italo-Western, von denen viele in der Tabernas-Wüste bei Almería gedreht wurden, soll nun Südspanien zum Kino- und Serienhotspot werden. Ein Anfang war Ridley Scotts mit 150 Millionen Euro budgetierte Moses-Biografie Exodus, die bereits 2013 auf Fuerteventura und rund um Almería gedreht wurde und Ende 2014 in die Kinos kommt. (Jan Marot, DER STANDARD, 16.7.2014)