So oder so ähnlich könnte die Liverpool-Taube ausgesehen haben, die mit dem Dodo verwandt war, wie man nun ziemlich sicher weiß.

Illustration: Joseph Smit

Liverpool/Wien - Es gibt nur wenige Vogelarten, über die man so wenig weiß wie über die Liverpool-Taube. Zu seinem Namen kam das Federtier deshalb, weil das einzige Exemplar weltweit in einem Speicher des World Museum Liverpool aufbewahrt wird. Ab sofort wird der etwas trostlose Vogelbalg für zwei Wochen ausgestellt werden: Es hat sich nämlich eine kleine wissenschaftliche Sensation ereignet.

Dazu muss man wissen, dass man über dieses einzige Exemplar lange so gut wie keine Informationen hatte: Weder ist bekannt, wann und wo die dunkelgrün gefleckte Taube erbeutet wurde, noch, auf welchen Wegen sie ins Museum gelangte. Das zweite bekannte Exemplar ging verloren. Und so war man sich nicht einmal sicher, ob Caloenas maculata überhaupt eine eigene Art ist oder ein etwas aus der Art geschlagenes Exemplar der Kragen- oder Nikobarentaube, die von den Nikobaren über die Philippinen bis Papua-Neuguinea vorkommt.

Unsichere Sichtung 1928

Erwähnt wurde die Liverpool-Taube erstmals 1783 im Werk A General Synopsis of Birds von John Latham, eine genauere Beschreibung erfolgte 1789 von Johann Friedrich Gmelin. Doch seitdem fehlen Aufzeichnungen über die Liverpool-Taube. Womöglich wurde ein lebendes Exemplar das letzte Mal 1928 auf der südpazifischen Insel Tahiti gesichtet. Doch diese Beobachtungen scheinen ziemlich unzuverlässig.

Sicher sind sich die Ornithologen nur, dass Caloenas maculata ausgestorben ist. Und es darf zudem offiziell vermutet werden, dass Bejagung durch den Menschen zum Aussterben des rund 32 Zentimeter großen Vogels geführt hat.

Um nach 225 Jahren endlich etwas Licht ins Dunkel zu bringen, durfte ein australisch-britisches Genetikertrio aus zwei Federn des einzigen erhaltenen Exemplars der Liverpool-Taube DNA-Proben entnehmen. Die Extraktion gestaltete sich allerdings nicht ganz einfach: Der mysteriöse Vogelbalg ist ziemlich alt und die Erbsubstanz entsprechend fragmentiert.

Genetischer Vogel-Barcode

Nach vollbrachter Tat konzentrierten sich die Forscher um Tim Heupink auf drei spezielle Abschnitte der DNA, die so etwas wie einen Barcode für Vögel darstellen, da sie für die meisten Vogelarten einzigartig sind. Die Analysen, die im Fachblatt BMC Evolutionary Biology allgemein zugänglich veröffentlicht wurden, zerstreuten nun alle Zweifel, dass Caloenas maculata keine eigene Spezies sein könnte.

Die Sequenzierung der DNA-Abschnitte zeigte aber nicht nur, dass der rare Vogel eine eigene Art ist. Die Genetiker konnten auch seinen Stammbaum und seine engsten Verwandten rekonstruieren, seine geografische Herkunft aber noch nicht. Der nächste noch lebende Verwandte der Liverpool-Taube dürfte tatsächlich die am Boden lebende Kragentaube sein.

Unter den immer noch nahen Verwandten finden sich aber auch noch andere rare Vögel: So dürfte die etwas über 30 Zentimeter große Taube nahe gemeinsame Vorfahren mit dem Dodo gehabt haben, dem etwa einen Meter großen, flugunfähigen Vogel, der auf den Inseln Mauritius und Réunion vorkam und um 1690 ausstarb.

Ein anderer Verwandter war der Rodrigues-Solitär, ein 90 Zentimeter großes, truthahnähnliches Federtier, das exklusiv auf der Insel Rodrigues (bei Mauritius) im Indischen Ozean existierte und ebenfalls längst ausgestorben ist.

Aufgrund dieser Verwandtschaften schließen die Forscher, dass die gemeinsamen Vorfahren der genannten Vögel "Inselhüpfer" gewesen sein müssen, die ursprünglich zwischen den Inseln im Indischen Ozean hin- und herflogen. Im Laufe der Evolution haben sich dann die meisten davon auf bestimmten Inseln niedergelassen und wurden flugunfähig - was letztlich auch ihr Aussterben besiegelte, als der Mensch auf sie Jagd machte. (Klaus Taschwer, DER STANDARD, 16.7.2014)