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Raketenabschuss aus dem Gazastreifen am Dienstag.

Foto: REUTERS/Baz Ratner

Karte des Konfliktgebiets am Mittelmeer.

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Israelischer Soldat mit Tränengaswerfer am Checkpoint Hawara in der Nähe von Nablus.

Foto: EPA/ALAA BADARNEH

Gaza/Jerusalem - Militante Palästinenser haben am Donnerstag die befristete Waffenruhe mit Israel gebrochen. Drei aus dem Gazastreifen abgefeuerte Geschoße seien im israelischen Grenzgebiet bei Eshkol eingeschlagen, sagte eine Armeesprecherin und bestätigte damit entsprechende Medienberichte. Es habe weder Opfer noch Sachschaden gegeben.

Seit 9 Uhr sollten eigentlich die Waffen schweigen. Das israelische Militär hatte jedoch angekündigt, entsprechend zu reagieren, wenn die radikalislamische Hamas "oder andere Terrororganisationen" dieses "humanitäre Fenster" ausnutzen sollten.

Angriffe vor der Waffenruhe

Kurz vor Beginn der Feuerpause hatte die israelische Luftwaffe erneut Ziele im Gazastreifen bombardiert. Bei einem Angriff in Deir al-Balah am frühen Donnerstagmorgen seien mindestens ein Palästinenser getötet und zwei weitere verletzt worden, teilten Rettungskräfte mit.

Nach Angaben einer Armeesprecherin wurden seit Mittwochmitternacht 37 Luftangriffe geflogen. Die Hamas schoss demnach bis zum Beginn der Waffenruhe sieben Raketen auf Israel ab. Vier seien auf Feldern eingeschlagen und drei von der Luftabwehr abgefangen worden.

UNO bat um Waffenruhe

Der UN-Koordinator für den Nahost-Friedensprozess, Robert Serry, hatte zuvor im israelischen Fernsehen gesagt, dass er die Armee um eine "humanitäre Pause" gebeten habe. Sollte das Militär einwilligen, werde er auch die Palästinenser bitten, die Feuerpause einzuhalten und in der Zeit keine Raketen auf Israel abzuschießen.

Die Feuerpause sei im Interesse aller Bewohner des Gazastreifens, sagte Serry laut seiner Sprecherin. So hätten sie etwa die Möglichkeit, sich im Krankenhaus behandeln zu lassen oder sich Lebensmittel zu besorgen.

100.000 Zivilisten sollen Häuser verlassen

Zuvor hatte Israel erneut mit einer Bodenoffensive im Gazastreifen gedroht. Die Streitkräfte forderten am Mittwoch mehr als 100.000 Bewohner in dem Küstengebiet auf, ihre Häuser zu verlassen. Andernfalls seien Menschenleben in Gefahr, hieß es in automatisierten Telefonanrufen, die bei Einwohnern zweier Viertel der Stadt Gaza eingingen. Aus Regierungskreisen verlautete, nötöigenfalls würden Bodentruppen in begrenztem Umfang eingesetzt.

Kinder getötet

Bei Angriffen der israelischen Armee wurden in der Stadt Gaza am Mittwoch vier Kinder getötet. Nach Angaben der Rettungskräfte waren die Kinder am Strand der Stadt, als die Geschoße einschlugen. Mehrere Reporter der Nachrichtenagentur AFP beobachteten die Angriffe, die offenbar vom Meer aus kamen.

Die Zahl der getöteten Palästinenser im Gazastreifen lag am zehnten Tag der israelischen Offensive bei 227. 1.685 weitere Menschen wurden verletzt, teilte der Sprecher der örtlichen Rettungsdienste am Donnerstagmorgen mit. Auf israelischer Seite war eine Person bei einem Granatenangriff aus dem Gazastreifen getötet worden. Der 37-Jährige wollte nach Angaben der Streitkräfte am Dienstag Soldaten in der Nähe des Gazastreifens mit Essen versorgen.

Hamas hatte Feuerpause am Dienstag ignoriert

Am Dienstag hatte sich zunächst eine Deeskalation abgezeichnet, weil Israel einer von Ägypten vorgeschlagenen Feuerpause zustimmte und die Offensive aussetzte. Die Hamas feuerte aber weiter Raketen ab. Daraufhin bombardierte Israel nach einer sechsstündigen Pause wieder Ziele im Gazastreifen. Am Mittwoch teilten die Islamisten dann mit, den ägyptischen Vorschlag für eine Feuerpause nicht anzunehmen. Das sei das Ergebnis interner Beratungen.

Israel setzte seine Angriffe fort. Dabei kamen den palästinensischen Behörden zufolge mindestens sieben Menschen ums Leben. Im Visier war den Angaben zufolge auch das Haus des hochrangigen Politikers Mahmud Sahar, das zerstört wurde. Vermutlich versteckte sich der Hamas-Mitbegründer an einem anderen Ort.

Am Mittwoch feuerte die Hamas 61 Raketen ab, wie die israelischen Streitkräfte am Nachmittag mitteilten. 23 von ihnen konnten demnach durch das Abwehrsystem "Iron Dome" zerstört werden. Betroffen war auch die Metropole Tel Aviv sowie die Stadt Ashkelon wenige Kilometer nördlich des Gazastreifens.

Hamas-Kämpfer wollten durch Tunnel nach Israel

Israels Armee hat nach eigenen Angaben kurz vor der Waffenruhe am Donnerstag einen größeren Anschlag an der Grenze zum Gazastreifen verhindert. 13 schwer bewaffnete Hamas-Kämpfer seien durch einen Tunnel etwa 250 Meter weit nach Israel vorgedrungen, sagte Armeesprecher Peter Lerner.

Bereits in der vergangenen Woche hatten Soldaten einen solchen Tunnel zerstört. Die Hamas hat ein Video veröffentlicht, in dem ein Tunnel gezeigt wird, aus dem Raketen geholt und auf eine versteckte Abschussrampe montiert werden. Die Tunnel sind Experten zufolge der Grund, warum die Hamas auch nach einer Woche der Bombardierungen noch Raketen abschießen kann.

Medienberichten zufolge verfügt Israel nur über eine Einheit mit Experten zum Aufspüren von Tunnels. Es handle sich um einige Dutzend Soldaten, die mit Atemschutzgeräten, Suchhunden und Robotern ausgestattet seien.

Auswirkungen bis nach Europa

Der Gaza-Konflikt hat auch Auswirkungen auf das Zusammenleben in einigen europäischen Städten. Laut Angaben der "Gazet van Antwerpen" wurden dieses Wochenende bei einer Pro-Palästina-Demonstration in der belgischen Stadt antisemitische Parolen skandiert wie "Tod allen Juden" und "Hamas! Juden ins Gas".

Bürgermeister Bart de Wever (Nationalliberale) erklärte, es sei "abscheulich, dass das in unserer Stadt im 21. Jahrhundert passiert". Er halte die Beteiligung von Politikern der Sozialdemokraten, Sozialisten und Grünen für verantwortungslos. Die angesprochenen Parteien distanzierten sich von den antisemitischen Parolen und betonten, für ein "Ende der Gewalt" demonstriert zu haben.

In Frankreich demonstrierten am Mittwoch erneut mehrere hundert Menschen gegen die israelischen Angriffe. In Lille gingen mehr als tausend Menschen auf die Straße, in Lyon mehrere hundert und in Paris rund 400. Vor dem Rathaus von Lyon riefen die Demonstranten Sprechchöre wie "Israel Mörder" und "Boykottiert Israel". Kleinere Protestkundgebungen gab es auch in Nantes und vor dem EU-Parlament in Straßburg.

Am Wochenende hatten sich in ganz Frankreich mehrere tausend Menschen an Solidaritätskundgebungen für die Menschen im Gazastreifen beteiligt, in Paris war es dabei zu Zwischenfällen gekommen. Vor einer Synagoge stellten sich Demonstranten jüdischen Gemeindemitgliedern in den Weg. Bei Zusammenstößen mit der Polizei wurden zudem acht Menschen verletzt, die meisten von ihnen Polizisten.

USA bewilligen Militärhilfe

Die USA wollen indes weitere Finanzmittel für die israelische Raketenabwehr freimachen. Ein Senatsausschuss billigte für das nächste Jahr weitere 622 Millionen Dollar (460 Millionen Euro). Davon seien 351 Millionen Dollar (259 Millionen Euro) für das System "Iron Dome" (Eisenkuppel) vorgesehen.

"Iron Dome" fängt derzeit viele Raketen aus dem Gazastreifen ab und bewahrt Israel vor größeren Schäden. Amerikanische und israelische Medien sprachen am Mittwoch von einer Verdoppelung der Gelder. Nach Angaben der Zeitung "Foreign Policy" gaben die USA seit 2011 rund 720 Millionen Dollar für "Iron Dome" aus. (red, APA, Reuters, 17.7.2014)