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Mutter ist nicht gleich Mutter - besagt das Kinderbetreuungsgeldgesetz.

Wien/Linz/Innsbruck - Sind Lesben und Schwule, die miteinander das Kind eines der Partner aufziehen, rechtlich als vollwertige Eltern zu betrachten? Und wie sieht das im Fall der heterosexuellen Lebensgemeinschaft eines Elternteils mit einem neuen Partner aus?

Diese Fragen schwingen in zwei Konfliktfällen mit, bei denen es ums Kinderbetreuungsgeld geht: Jene neben der Familienbeihilfe gewährte staatliche Finanzhilfe, mit der die Betreuungsleistung von Eltern bis zum dritten Lebensjahr des Kindes mit rund 14,53 Euro täglich zumindest teilweise abgegolten werden soll.

Viele betroffen

Konkret betroffen sind ein oberösterreichisches sowie ein Tiroler Frauenpaar - der Kreis jener, die die aufgeworfenen Fragen angeht, ist jedoch weit größer. Er umfasst auch heterosexuelle Paare mit Kind.

Im Fall der zwei Frauenpaare hatten die Partnerinnen die Schwangerschaft der einen, und damit die Familiengründung, langfristig miteinander geplant. Nun wohnen sie samt Nachwuchs in Lebensgemeinschaft in einem gemeinsamen Haushalt. Ihre Probleme hatten jeweils mit dem Wunsch der nicht leiblichen Mutter begonnen, sich vorübergehend voll dem Kind zu widmen.

Antrag bei der Kasse

Beide Frauen stellten bei der je zuständigen Krankenversicherungen den Antrag, sich die Kinderbetreuungszeit und das Geld mit der Partnerin zu teilen. Eine solche Möglichkeit ist laut Kinderbetreuungsgeldgesetz ebenso vorgesehen wie kürzere Bezugszeiten mit höheren Tagsätzen.

Die Anträge wurden beide abgelehnt: Das Recht auf Kinderbetreuungs-Splitting hätten nur heterosexuelle Partner, "die miteinander durch das Band der leiblichen Elternschaft, der Pflegeelternschaft oder der Adoptivelternschaft verbunden sind", begründete dies die Tiroler Gebietskrankenkasse.

"Ebenen der Elternschaft"

Denn bei Geldgewährung für andere familiäre Konstellationen würde es zu einem "Vermischen" unterschiedlicher "Ebenen der Elternschaft" kommen, was gesetzlich "nicht vorgesehen" sei. Laut Familienministerium, das vom STANDARD um eine Stellungnahme ersucht wurde, entspricht diese Sicht der Intention des Kinderbetreuungsgeldgesetzes.

Mit ihrer Wiener Anwältin Michaela Tulipan legten beide Frauenpaare gegen diese Entscheidungen dennoch Klage beim jeweils zuständigen Oberlandesgericht (OLG) ein - und siehe da: Während das OLG Linz den Krankenkassenspruch inhaltlich bestätigte, sah man die Sache beim OLG Innsbruck radikal anders.

Wer faktisch das Kind hütet

Beide Entscheide liegen dem STANDARD vor. Der Klägerin sei das Kinderbetreuungsgeld zu gewähren, heiß es in jenem aus Tirol. Denn rechtlich sei sie als "Pflegemutter" des Kindes zu betrachten, obwohl bei ihr keine klassische Pflegeelternschaft voliege, hieß es in Innsbruck: Bei derlei Entscheidungen komme es weniger auf "Ebenen der Elterschaft" als auf die faktischen Kindesbetreuungsverhältnisse an.

Am Wort ist jetzt der Oberste Gerichtshof, bei dem die Kassa Revision beantragt hat, Die Rechtsmeinung des Familienministeristeriums indes schließe homosexuelle Familien ebenso von der staatlich unterstützten arbeitsteiligen Kinderbetreuung aus wie eine ganze Reihe heterosexueller Lebensgemeinschaften. (Irene Brickner, DER STANDARD, 17.7.2014)