Man nehme: vier Männer, bestenfalls mit honorigen Titeln, und eine Frau (für die Quote), die alle ein Problem mit der "sprachlichen Gleichbehandlung" haben. Diese verfassen einen offenen Brief, der in Zeiten der Gabalier-Stammtischdebatte um die Bundeshymne locker 800 teilweise prominente Unterstützer und Unterstützerinnen findet, und schickt diesen an die Frauenministerin und den Wissenschaftsminister. Dazu kommt noch ein wenig Support durch Boulevardmedien, und fertig ist das Sommerlochthema, dem sich auch die Politik nicht mehr entziehen kann.

Binnen-I oder nicht? Das ist eine gewiss schwierige Frage. Beim Standard haben wir uns nach längerer Diskussion darauf verständigt, dass wir versuchen, im Sinne der besseren Lesbarkeit so weit wie möglich die männliche und weibliche Form zu verwenden. Ausnahme ist dieStandard.at, wo das Binnen-I bewusst eingesetzt wird.

Es gab und gibt aber redaktionsintern auch immer wieder Stimmen, die mit dieser Lösung nicht glücklich sind. Zuletzt wurde angeregt, dass wir nur die weibliche Form einsetzen sollten, um ein Zeichen zu setzen. Also in etwa so: "Wissenschaftsministerin Mitterlehner hält sich mit einer Stellungnahme zurück." Das würde sicherlich für Aufmerksamkeit sorgen, wäre aber wohl auch nicht die perfekte Lösung. Umgekehrt passieren aber auch bei der Verwendung der männlichen Form immer wieder Fehler, wenn es um Berufe geht, die fast ausschließlich von Frauen ausgeübt werden (etwa Kindergartenpädagogen - diese sind allerdings zu 99 Prozent Pädagoginnen). Auch Lehrerinnen werden noch viel zu oft als Lehrer klassifiziert.

Damit sind wir beim Kern der Sache: Die perfekte Lösung gibt es (noch) nicht. Jede hat ihre Vor- und Nachteile. Das muss aber noch lange nicht bedeuten, dass man das Binnen-I gleich abschaffen muss, wie es die Frauensprecherinnen von ÖVP, FPÖ und Team Stronach fordern. Ein Verbot würde ohnehin daran scheitern, dass es kein Gesetz gibt, das es explizit vorschreibt.

Gerade die aktuelle Debatte zeigt, wie wirkungsvoll dieses I ist. Es treibt die Gegner fast zur Weißglut und sorgt somit für erhöhte Aufmerksamkeit für das Thema Gendergerechtigkeit. Es ist also verwunderlich, dass sich politische Frauenvertreterinnen für die Abschaffung eines eigentlich sehr erfolgreichen Mittels einsetzen.

Wie das Thema abgehandelt wird, zeigt auch, wie schwer sich das Land noch immer mit der Gleichberechtigung tut. Sobald die Materie ein wenig komplexer wird, schreit man sofort nach Verboten und will über das Austrian Standards Institute neue Normen schaffen.

Und was ist der nächste Schritt? Will man die Kleinschreibung bei Texten der österreichischen Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek auch gleich verschlimmbessern? Oder die Gedichte von Ernst Jandl? Ein normiertes "Schützengraben" statt des originalen "schtzngrmm"?

Es wäre ein grundlegender Fehler, sprachliche Kreativität einzuschränken, wie Sprachwissenschafterin Claudia Posch im Standard-Interview sagt. Sie meint auch, dass man Sprache grundsätzlich nicht ästhetisch bewerten sollte und dass sie einem ständigen Wandel unterworfen ist.

Eine Norm, die die Möglichkeit des Binnen-Is einschränken würde, wäre ein Rückschritt bei der Gleichbehandlung von Frauen und Männern. (Rainer Schüller, DER STANDARD, 17.7.2014)