Wien - Als im Jänner 2012 in der Stadt Hallein ein Gedenkstein am ehemaligen Standort des KZ-Außenlagers von Dachau errichtet wurde, musste dieser von einem Halleiner Baustoffindustriellen privat finanziert werden.

ÖVP und FPÖ hatten zuvor im Gemeinderat einen Antrag der SPÖ zur Errichtung eines Mahnmals abgelehnt. Der Gedenkstein am Firmengelände von Deisl-Beton sei auch ein Gedenkstein für die 2007 im 103. Lebensjahr verstorbene Halleinerin Agnes Primocic, sagte Firmeneigentümer Manfred Deisl bei der Enthüllung.

Befreiung von 17 Gefangenen

Tatsächlich ist die Geschichte des Lagers in Hallein aufs Engste mit dem Namen Primocic verbunden. Wenige Tage vor Kriegsende gelingt es Primocic mit einer List 17 Gefangene, die erschossen werden sollten, aus dem Lager zu befreien.

Verkleidet als Rotkreuzschwester schafft sie es, an den SS-Posten vorbei zum Lagerkommandanten vorzudringen. Diesem setzt sie mit Hinweis auf den Frontverlauf in Bayern die Ausweglosigkeit seiner Lage auseinander und stellt ihm nach Kriegsende eine Entlastung in Aussicht. Die List gelingt, 17 Menschen kommen frei und überleben.

Nicht stillhalten, wenn Unrecht geschieht

Man dürfe nicht stillhalten, wenn Unrecht geschehe. Wer nichts gegen die Tyrannei unternehme, erkläre sich einverstanden mit ihr. Diese zwei Leitlinien haben Primocic ihr ganzes Leben lang begleitet. Das Risiko, diese Leitlinien auch zu leben, war hoch. Denn als sie 1945 die couragierte Befreiungsaktion wagt, war sie für die Nazischergen keine Unbekannte.

Im Gegenteil: Nachdem sie als 16-Jährige im Halleiner Tabakwerk als "Tschickweib" angefangen hatte, begann sie, sich gewerkschaftlich zu engagieren. Der SPÖ ging ihr Engagement freilich bald zu weit, sie wurde aus der Partei ausgeschlossen. Primocic trat daraufhin der Kommunistischen Partei bei.

Rund ein Jahr hinter Gittern

Ab 1934 dann die Illegalität: Sie wurde wiederholt verhaftet und verbrachte von 1934 bis 1945 insgesamt rund ein Jahr hinter Gittern. Besonders knapp war es 1942, als sie sieben Wochen in Gestapohaft war. Primocic wurde verdächtigt, für die Rote Hilfe Geld gesammelt zu haben, ihre Genossen und Genossinnen hatten sie jedoch nicht verraten, und sie kam wieder frei. Ihr Mann und ihr Sohn waren zu dieser Zeit an der Front, ihre zwei kleinen Kinder wurden von Nachbarn versorgt.

Nach der Befreiung 1945 wurde Primocic Sozialstadträtin. Dabei machte sie sich nicht nur Freunde. Um die Kinder in den Kindergärten ernähren zu können, ordnete sie Hausdurchsuchungen an; gehortete Lebensmittel ließ sie beschlagnahmen.

Späte Würdigung

Offiziell gewürdigt wurde ihr Kampf gegen die Nazis erst spät: 1999 wurde sie zur Ehrenbürgerin von Hallein - gegen den Widerstand der FPÖ. Vertreter der FPÖ waren es übrigens auch, die die Existenz des KZ-Außenlagers in Hallein immer wieder bestritten haben.

Eine entsprechende Sequenz findet sich in einem Dokumentarfilm von Uwe Bolius und Robert Angst über Primocic. Bei der Fernsehausstrahlung des Films 2004 hatte der ORF diese Sequenz dann herausgeschnitten. Man wollte keine Beschwerde der FPÖ provozieren, hieß es damals. (Thomas Neuhold, DER STANDARD, 18.7.2014)