Mit größter Wahrscheinlichkeit ist der Bangladescher Dulal D. jener Flüchtling, der in Österreich am allerlängsten auf den endgültigen Ausgang seines Asylverfahrens wartet. Die 18 Jahre, die er unter Ausschluss vom Arbeitsmarkt, und ohne in den Genuss von Integrationsmaßnahmen gekommen zu sein, hierzulande sein Leben fristet, stellen eine Extremsituation dar: die Spitze des Eisbergs sozusagen, der sich nach unten hin aber rasch verbreitert.

18 Personen, so war im Innenministerium zu erfahren, warteten Ende 2013 allein beim (inzwischen im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aufgegangenen) Bundesasylamt, also in der ersten Entscheidungsinstanz, länger als zehn Jahre auf ihren Bescheid, 148 länger als drei Jahre, 915 länger als ein Jahr. In den Berufungsinstanzen und bei den Höchstgerichten dürfte es hunderte weitere in der Asyl-Wartschleife verfangene Menschen geben.

Warum das? Erstens, weil die zuständigen Gerichte, wie das Verwaltungs- und Justizwesen überhaupt, in Zeiten chronischer Budgetprobleme personell knapp gehalten werden.

Zweitens, weil diese vielfach am Rande der Überlastung arbeitenden Referenten, Richter und Sachbearbeiter mit einer Rechtsmaterie hantieren müssen, die im vergangenen Jahrzehnt vier grundlegende und eine Reihe zusätzlicher Novellen erfahren hat. Die in weiten Teilen derart technisch formuliert ist, dass die zuletzt vieldiskutierten Unlesbarkeitsprobleme bei Gesetzen wegen des gendergerechten Binnen-I davor schier verblassen.

Drittens, weil die Qualität der Entscheide trotz Verbesserungsinitiativen etwa bei den Länderberichten vielfach weiter zu wünschen übrig lässt. Tatsächlich werden Sprüche über Asylgewährung, die oft über Leben oder Tod des Antragstellers bestimmen und zu den vornehmsten staatlichen Aufgaben angewandten Menschenrechts gehören, in Österreich zuweilen immer noch hingeschludert. Auch das manifestierte sich am Falle Dulal D.s auf herausragende Art, als ein Berufungsrichter 2006 Aktenteile eines anderen Asylwerbers mit als Entscheidungsgrundlage nahm.

Dieses fortgesetzte Qualitätsproblem ist jenen Menschen entgegenzuhalten, die die Schuld an langen Asylverfahren allein bei Flüchtlingen und Anwälten sehen. Die radikaleren unter ihnen, FPÖ-Vertreter etwa, sprechen in diesem Zusammenhang gern von einer "Asylmafia", ignorierend, dass die Möglichkeit von Menschen, falsche Urteile und Entscheide unter fairen Bedingungen richtigzustellen, eine Grundlage des Rechtsstaats ist.

Der Rechtsstaat spielt auch in Zusammenhang mit einer anderen Asyl-Baustelle eine Rolle: dem chronischen Unterbringungsproblem, das Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) vor wenigen Tagen bewogen hat, unter Hinweis auf die geltende Bund-Länder-Vereinbarung den säumigen Ländern ein Ultimatum bis Ende Juli zu stellen - zum dritten Mal innerhalb der vergangenen zwei Jahre.

Doch mit Hinweisen auf die herrschende Rechtslage allein dürfte hier wenig zu gewinnen sein, wenn man anonym bleiben wollenden Stimmen aus dem Kreis der Länderverantwortlichen glauben mag. Die verorten das Problem im schnöden Mammon. Um 19 Euro Tagsatz pro Tag und Asylwerber seien keine Quartiere mehr zu finden, sagen sie: Die heimischen Asylprobleme seien in weiten Teilen schlicht eine Ressourcenfrage. (Irene Brickner, DER STANDARD, 18.7.2014)